Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
186 Franziska von Rimini.
ſo daß ſeit ſehs Jahrhunderten die Dichter und die Maler, Bildhauer und Muſiker, immer wieder nah dieſem Stoff gegriffen haben. Aber nicht dies allein. Auch die ge= ſchichtliche Forſhung hat bis zur neueſten Zeit urkundlih oder ſonſt beglaubigt feſtzuſtellen geſucht, wie fi Dichtung und Wirklichkeit des tragiſchen Vorgangs zu ‘einander ver= halten, wie ex ſi< in ſeinen näheren Umſtänden in Wahr= heit abgeſpielt hat.
Was zunächſt Dante's Schilderung betrifft, ſo findet fie ſich in ſeiner „Göttlichen Komödie“, im fünften Geſang der „Hölle“, wo ſeine dichteriſche Phantaſie in langen Reihen die Schatten an ſi vorüberziehen ſieht, weithin ihr Leid verkündigend. Da fommt Semiramis, da Helena, Paris, Triſtan, und dann ein innig ſi< umſ{<lungen haltendes Paar, dahinſhwebend wie vom Winde getragen. Es iſt Franziska und ihr Geliebter Paolo Malateſta, und ſie erzählen dem Dichter, wie ſie in's Verderben geriethen. Sie laſen den damals! aus Frankreich verbreiteten Roman von Lanzelot vom See, ebenfalls einem der Helden aus König Artus? Sagenkreis, der ſih in des Königs Gemah= ſin Ginievra vexliebt und dem die Fee Viviana dann das Leben von den Lippen nimmt. Franziska's Gatte überraſchte fie beim Lefen und ſtieß in blinder Eiferſucht ihr und ſeinem Bruder Paolo, ihrem nun auf ewig mit ihr vereinten Geliebten, das Schwert durch die Bruſt. Die Einfachheit und Tiefe, die Fnnigkeit und Keuſchheit diefer Erzählung des großen italieniſchen Poeten hat ſie zu einer der beliebteſten Epiſoden ſeiner gewaltigen Dichtung ge macht. Er knüpft an Franziska's Namen den Ausruf :