Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
192 Franzisfa von Rimini.
Welche entſeßliche Eröffnung für Franzisfa! Läßt Liebe ſich gebieten, zu verſchwinden, oder von einem Gegenſtand auf einen anderen überzugehen und noch dazu auf einen, der no< nit einmal gekannt iſt? Cines Mädchens erſte Liebe überdies, die eben aufſ<hoß in aller jungfräulichen Kraft aus ahnungsloſem, unſchuldvollem Herzen? Wie mußte es frampfhaft ihr Herz zuſammenziehen, als dieſer Traum jäh zerſtört wurde, und ſie einer Schuld ſich gegen= über fühlte, während ſie einer Pflicht mit ihrem ganzen Herzen ſih hinzugeben wähnte? Wie mußte dieſe ge= täuſchte Braut, für welche Wonne in Schmerz, ſelige Hoffnung in banges Fürchten auf ihrem Weg vom väter= lichen Schloß zum Hauſe des ihr unlösli<h verbundenen Mannes ſi gewandelt — wie mußte ſie am Thox - von Rimini ihren wahren Gemahl begrüßen, Giovanni Mala= teſta, den Mißgeſtalteten , den Lahmen! Nun erſt war die Enttäuſchung vollſtändig; Tag wurde Nacht, Schön= heit Häßlichkeit, als an Stelle Paolo’'s ſein Bruder als ihr re<tmäßiger Gatte trat.
Sie war ſein Weib und folgte ihm ergeben in ihr Gez ſchi> in ſein Schloß zu Rimini. Die Malateſta waren gar mächtige Herren im Lande; ihre Burgen, feſt, troBbig, faſt unnahbar, wie die meiſten “der fehdeluſtigen Nobili jener Zeit, waren abwechſelnd der Siß ihres kleinen, frieg8= mäßig gehaltenen Hofes, je naden ſie eine oder die andere als Hauptquartier oder zu friedlichem Aufenthalt erwählE ten. Kämpfe, Belagerungen, Ueberfälle feindlicher Partei= ſchaaren riefen fie nur zu oft aus dem Schloß von Rimini fort. Es war ihre eigentliche Reſidenz, wo ſie- ſich immer