Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

260 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

erſichtlicher Weiſe. Wenn ſich die Angabe Huebers bewahrheitet, dürfen wir hoffen, ihn in nicht allzu ferner Zeit bei uns einwandern zu ſehen. Vielleicht folgt er ſogar früher, als man erwarten kann, der Wanderheuſchre>e, die bekanntli<h auh bei uns zu Lande ihren Einzug hielt, auf dem Fuße nah. Es wird dann an uns ſein, ihn mit ſo viel Gaſtlichkeit zu empfangen, wie er ſie ſeiner Nüblichkeit halber verdient. Den Wunſch ſpreche ih aus, ſeine Erfüllung erhoffe ih kaum. Man wird ebenſogut gegen ihn zu Felde ziehen, ihn ebenſo verdächtigen wie unſeren Turmfalken, ihn ebenſo unerbittlih abſchießen, wie man Notfußfalken, die zum Horſten ſchreiten wollten, wenigſtens in Böhmen weggeſchoſſen hat. Wie unre<t und thöriht ſol<hes Verfahren iſt, bedarf nah dem beim Turmfalken Geſagten einer weiteren Auseinanderſeßung niht. Mit vollſtem Einverſtändnis aber wiederhole ih auh an dieſer Stelle die Worte von Rieſenthals: Wenn wix in unſeren Gebieten uns beſhweren, daß in anderen Ländern uns angenehme und nüßliche Vögel über die Maßen verfolgt werden und wir auf internationalem Wege Abhilfe und Schug für dieſe ſuchen, fo müſſen wix uns auch auf denſelben Standpunkt ſtellen und ſolche Vögel nah Möglichkeit in Schuß nehmen, die für jene Länder nicht nur nüßlih und angenehm, ſondern notwendig ſind.“

Dem Turmfalken, insbeſondere aber dem Nötelfalken nahe verwandt iſt ein anderer Kerbtiere freſſender Fangvogel Südeuropas, der Abend- oder Notfußfalke (Falco vespertinus, rufipes und barletta, Cerchneis vespertinus und rufipes. Tinnunculus vespertinus und rufipes, Pannychistes rufipes, Erythropus vespertinus und rufipes), einer der ſchönſten aller Falken überhaupt. Er iſt durch kürzeren Schnabel, anderes Verhältnis der Schwingen, dur kürzeren Schwanz und endlich durch die niht nur nah den Geſchlec<htern, ſondern auh nah dem Alter verſchiedene Färbung unterſchieden. Fn der Größe kommt der Abendfalke mit dem Rötelfalken ziemlih überein. Seine Länge beträgt 31, die Breite 78, die Filtihlänge 22, die Schwanzlänge 14 ecm. Das Weibchen iſt um 3 cm länger und um 4—5 cm breiter. Fm ausgefärbten Kleide kann das Männchen mit keinem anderen Falken verwechſelt werden. Der Unterbauch, die Hoſen und die Unterſhwanzde>federn ſind dunkel roſtrot; das übrige Gefieder iſt ſehr gleihmäßig ſchieferblau, nur der Schwanz etwas dunkler. Die Wachshaut, der na>te Ring ums Auge fowie die Füße ſind ziegelrot, der Schnabel iſt hinten gelb, vorn hornbläuli<h. Das Weibchen iſt auf dem Kopfe und Nacen hell roſtfarben, auf dem übrigen Oberkörper blaugrau, auf Mantel und Schwanz dunkler gebändert, am Vorderhalſe und auf den Halsſeiten, mit Ausnahme der braunen Bartſtreifen, weiß, auf dem übrigen Unterkörper roſtgelb mit einzelnen braunen Schaftſtrichen. Wachshaut, Augenring und Füße ſind orangenrot. Fm Jugendkleid iſt der Dberkörper dunkelbraun, jede Feder roſtgelblih gerandet, der Schwanz roſtgelb, 11—12mal dunkler in der Quere gebändert, der Unterkörper von der weißen Kehle ab roſtgelblihweiß mit breiten, braunen Längsfle>en. Die na>ten Stellen ſind noch lichter als bei dem Weibchen. Der Augenſtern iſt immer braun.

Der Notfußfalke gehört dem Südoſten Europas ſowie Mittelaſien an und wird erſt am Amur und in China durch einen nahen Verwandten (Falco amurensis) erſeßt. Fm Weſten unſeres heimatlichen Erdteiles iſt er ſelten, kommt hier aber gelegentlich ſeines Zuges dann und wann einmal vor, indem er die Grenzen ſeines Wandergebietes überſchreitet. Unter dieſen Umſtänden iſt er wiederholt in verſchiedenen Gegenden Deutſchlands, ebenſo auf Helgoland, in England und ſelbſt in Schweden erlegt worden. Häufiger dur{hzieht einer der niedlichen Falken Frankreih oder die Schweiz, und regelmäßig wandert er in jedem Frühlinge und Herbſte dur< Griechenland und Ftalien, dort zwiſchen dem 15. und 25. April und 2. und 14. Oktober, hier im Mai, auf Sicilien und Malta zu derſelben Zeit wie in Gricchenland erſcheinend. Fn der römiſchen Campagna bemerkt man ihn während des Zuges