Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Abendfalke: Aufenthalt. Nahrung. Gebaren. Fortpflanzung. 263

niedlichen Falken. Hier ſieht man ſie dann während der Mittagszeit in Geſellſchaften von 20, 30 und mehr dicht nebeneinander aufgebäumt ſien, der Ruhe pflegen und die ihrer Jagd beſonders förderlichen Spätnachmittags- und Abendſtunden abwarten. Unter Umſtänden kann es geſchehen, daß ein ſolcher Baum kaum ausreicht, einer ganzen Geſellſchaft Nuhepläße zu gewähren, und daß die ſonſt friedlihen Vögel, wie Nordmann beobachtete, um eines Sißplaßes willen untereinander in Streit geraten. Fhr ausgeſprohener Hang zur Geſelligkeit aber hält ſie troßdem ab, ſich auf anderen Bäumen niederzulaſſen. Es iſt, als ob alle thun müßten, was dem einen von ihnen behagt. Einer wählt ſich einen gewiſſen Baum zum Ruheſiße, 2 oder 3 andere ſhweben herbei, laſſen ſih neben ihm nieder: und nunmehr ſtrömen alle übrigen von den verſchiedenſten Seiten herzu, um genau auf demſelben Baume Plaß zu nehmen. Nordmann verſichert, ſie zuweilen ſo gehäuft geſehen zu haben, daß ein einziger Schuß ein Dutend von ihnen zu Boden ſtre>te, ungezählt noh die leiter verwundeten, die nicht in die Gewalt des Jägers fielen. Sobald ſich die Kerbtierwelt zu regen beginnt, erheben ſie ſih und fliegen nun nach allen Seiten in die Steppe hinaus, um nah Heuſchre>en, Grillen, Schmetterlingen, geflügelten Ameiſen und Käfern auszuſhauen. Kerbtiere in allen Lebenszuſtänden, beſonders aber verwandelte Kerſe und unter dieſen wiederum vorzugsweiſe Käfer, bilden den größten Teil ihrer Nahrung; ein Mäuschen, ein junges, unbehilfliches Vögelchen oder eine kleine Cidechſe wird ihnen ſeltener zu teil. Erſtaunlich iſt die Geſchiflichkeit, mit welcher ſie kleine, auf dem Boden kriehende Käfer aufnehmen, zwiſchen ihren kurzen Klauen feſthalten und im Fluge verſpeiſen. Oft ſind die Kerfe ſo klein, daß man ſie, obgleich der Falke ſie nur wenige Meter vom Standpunkte des Beobachters auflas, niht mehr wahrnehmen, ſondern den geglü>ten Fang überhaupt nur dadurch feſtſtellen fann, daß der Vogel die Beute fliegend verzehrt, zu dieſem Behufe die Fänge vorſchiebt, mit dem Schnabel etwas aus ihnen nimmt und verſchlingt, worauf er ſofort wieder rüttelnd ſhwebt und ſih von neuem zum Fange anſchi>t. Je mehr der Abend herankommt, um ſo reger werden alle Bewegungen, weil mit hereinbrehender Nacht mehr und mehr Kerbtiere ihre Sthlupfwinkel verlaſſen und umherſhwärmen. Daher ſieht man die Falken oft noh ſpät nach Sonnenuntergang ihrem Fange obliegen und erſt, wenn die Nacht wirklich eingetreten iſt, gemeinſchaftlich ihren Schlafpläßen zufliegen, bei nebeligem Wetter dagegen, laut Nobfon, auf dem Boden ſiven oder dicht darüber auf und nieder ſ{hweben, um noch eins der zurü>gezogenen Kerbtiere zu erlangen. Sobald dann die Witterung ſih aufheitert und die Sonne wieder flax vom Himmel ſcheint, erhalten ſie auh ihre volle Lebendigkeit und Heiterkeit wieder.

Gegen die Brutzeit hin löſen fih die Scharen, die gemeinſchaftlih nah der Winterherberge gezogen, in ihr geſellt verblieben und verbunden heimgekehrt waren, in einzelne Paare auf, und man ſieht jeßt die Männchen ebenfalls allerlei Shwenkungen zur Freude des Weibchen ausführen, überhaupt alle ihm eignen Flugkünſte entfalten. Doch ſpielen die Rotfußfalken, ſoweit ih beobachten konnte, verhältnismäßig weit weniger als Edelfalken und Weihen: verbringen ſie doh ohnehin die Hälfte ihres Lebens im Fluge. Über die Fortpflanzung ſelbſt habe ih zu meinem Bedauern eigne Beobachtungen nicht anſtellen fönnen und muß mich daher auf andere Forſcher, namentlih Nadde und Nordmann, ſtüßen. Nach Angabe des erſtgenannten legen ſie ſi ihren Horſt im Mai auf Bäumen an und wählen hierzu vorzugsweiſe hohe Weiden; nah Angabe des letteren richten ſie nicht ſelten ein Elſterneſt zum Horſte her. Ein ſolches geben die rechtmäßigen Beſißer nicht gutwillig her; das Falkenpaar muß daher harte Kämpfe beſtehen, um ſein Ziel zu erreichen, ſoll auch, wie man ſagt, oft andere ſeiner Art zur Hilfe herbeirufen. Man hat behauptet, daß der Rotfußfalke gern in Baumhöhlungen niſte, und dieſe Angabe iſt durchaus nicht unwahrſcheinlih. Die 4—d Eier, aus welchen das Gelege beſteht, ſind ſehr klein, kugelig,