Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

266 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

mehr dem laufenden als dem fliegende Wilde gilt. Es gibt unter ihnen viele Fiſchfreſſer und Mäuſejäger; manche verſchmähen auh Aas und menſchliche Küchenabfälle pflanzlicher Natur niht. Jhre ſ{hwebend, ſeltener rüttelnd erſpähte Beute wird dur plößliches Hinabſchwenken oder Niederſtoßen ergriffen. „Die Horſte“ ſagt Reichenow, „werden mit Vorliebe an Waldrändern, die Wieſen und Felder, Flüſſe, Seen oder Meeresgeſtade begrenzen, und gern auf den Wipfeln höherer Bäume angelegt. Die Eier ſind auf weißem Grunde rotbraun gefle>t, ſeltener rein weiß.“

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Die Gattung der Adler (Aquila) kennzeihnet ſih durc vollſtändig befiederte Läufe, rundliche oder eiförmige, in leßterem Falle ſchräg, faſt ſenkrecht in der Wachshaut gelegene Naſenlöcher, etwa die Länge der Mittelzehe erreihenden Lauf und halbflügellangen Schwanz. Die aus 15 Arten beſtehende Gattung verbreitet ſih mit Ausnahme Südamerikas über alle Erdteile.

Der Steinadler, Goldadler, Gemeine, Shwarze, Braune, Ningelſchwänzige, der Sto>-, Berg- und Haſen- oder Rauchfußadler (Aquila chrysaëtos, fulya und nobilis, Falco chrysaëtos und fulyus) iſt der größte und ſtärkſte, au<h am gedrungenſten gebaute unter den zunächſt verwandten Arten, der „Adler“ ohne weitere Nebenbezeichnung, der Beizvogel aller inneraſiatiſchen NReitervölker, der Held der Fabel und das Urbild des Wappentieres, das Sinnbild der Kraft und Stärke. Seine Länge beträgt 80—95 cm, die Breite 2 m und darüber, die Fittichlänge 55—64, die Shwanzlänge 31— 36 em. Erſtere Maße gelten für das Männchen, lettere für das größere Weibchen. Beim alten Vogel iſt der Naken, einſchließlich des Hinterhalſes, roſtbraungelb, das übrige Gefieder in den erſten beiden Wurzeldritteilen weiß, an der Spiße ſehr gleihmäßig dunkelbraun, der Schwanz in ſeinem Wurzeldrittel weiß, ſodann ſhwarz gebändert oder gefſle>t, in der Endhälſte {hwarz. Die Hoſen ſind braun, die Unterſhwanzde>federn weiß. Jm Jugendkleide iſt das Gefieder durchgehends lichter, das Lichtbraun des Nackens viel weiter, bis auf den Scheitel und die Halsſeiten, verbreitert, der Flügel dur< einen großen weißen Spiegel ausgezeichnet der Schwanz nur im Enddrittel ſ{<hwarz, im übrigen grauweiß, die Hoſe ſehr licht, oft ebenfalls weiß.

Mit vorſtehenden Worten iſt nur die am häufigſten vorkommende Färbung beſchrieben, demgemäß hinzuzufügen, daß das Kleid dieſes Adlers außerordentlich abändert. Einzelne alte Vögel ſind gleihmäßig dunkelbraun, andere goldbraun, andere in der Kropfgegend und am Bauche goldbraun, im übrigen dunkelbraun gefärbt; einige behalten den Flügelſpiegel bis ins höhere Alter, andere zeigen ſ{hön gebänderte Schwingen 2c.

Jm Norden Amerikas wird der Steinadler dur< einen nahe ſtehenden Verwandten (Aquila canadensÌs) vertreten.

Der Steinadler bewohnt die Hochgebirge und ſehr ausgedehnte Waldungen Europas und Aſiens, ſtreift auch, laut von Heuglin, gelegentlich, immer aber ſelten, nah Nordoſtafrika hinüber. Jn unſerem Vaterlande horſtet er, ſoviel mir bekannt, gegenwärtig regelmäßig einzig und allein im bayriſhen Hochgebirge ſowie in den ausgedehnten Staatswaldungen des ſüdöſtlihen Teiles der Provinz Oſtpreußen und denen der Provinz Pommern; das übrige Deutſchland beſucht er wohl einzeln dann und wann als Strichvogel, ſiedelt ſih jedo< nur äußerſt ſelten bleibend an. Ausnahmsweiſe geſchieht leßteres allerdings no< heutigestags; bei der ſcharfen Aufſicht aber, die unſere Forſtbeamten führen, büßt das Adlerpaar ſolches Beginnen regelmäßig mit ſeinem Leben, mindeſtens mit dem Verluſte ſeiner Eier oder Jungen. Noch vor mehreren Jahrzehnten war dies anders: in den