Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Schreiadler: Aufenthalt. Weſen. Nahrung. Fortpflanzung. 285

fallen ihm nicht allein junge Droſſeln und Stare, ſondern au<h wohl junge Haſen zur Beute. Wahrſcheinlich aber richtet er ſelbſt dann noh nicht ſo viel Schaden an wie der Buſſard. Nach Art des lebteren ſieht man ihn auf einzeln ſtehenden Bäumen, auf Steinen oder Pfäh: len ſißen und hier auf ſeine Beute lauern. Hak er etwas erſpäht, ſo ſhwingt er ſih behende zu Boden und ſucht das betreffende Tier zu ergreifen, im Notfalle auh dur ſchnelles Nachhüpfen oder raſches Gehen mit großen Schritten, nah Art einer Krähe, wie meines Wiſſens ſonſt kein anderer Edeladler verfährt. Ob ex auf Waſſergeflügel ſtößt, wie vielfah behauptet worden iſt, vermag ih niht zu ſagen; wohl aber kann ih verſichern, daß auch er dem Wanderfalken ſeine Beute abjagt. Auf das Aas fällt ex ohne Umſtände, faſt wie ein eter Geier.

Unter allen deutſhen Adlern iſt der Schreiadler derjenige, welcher am treueſten an Walde hängt und, wie es ſcheint, nur gezwungen unbewaldete Gegenden beſuht. Fnnerhalb des Waldes bevorzugt er beſtimmte Stellen mit Entſchiedenheit; zum Stande ſeines Horſtes namentlich wählt er, wie E. von Homeyer mix mitteilte, regelmäßig die Nähe einer kleinen Waldblöße, um vom Horſte durh Äſte und dergleichen möglichſt unbehindert abfliegen zu können. Fſſtt der Wald hügelig, ſo ſteht der Horſt gewöhnlich hier, jedo<h immer wieder ſo, daß der Adler nah dem Abfliegen bald wieder ins Freie kommt und durch ein Gewirr von Äſten niht behindert wird. Jn ganz kleinen Gehölzen horſtet er ſelten, in Feldhölzern, die rings mit Wieſen umgeben ſind, dagegen re<t gern, weil er da in bequemſter Meiſe ſeiner Jagd obliegen kann. Zur Anlage des Horſtes verlangt er alte, ſtarke Bäume. Buchen und Eichen ſcheinen allen übrigen vorgezogen zu werden; mit einem Nadelbaume nimmt er nur in den ſeltenſten Fällen vorlieb; viel häufiger als auf dieſen kann man den Horſt auf einer Birke oder Erle finden. Er ſelbſt baut wohl nur im äußerſten Notfalle, ſucht ſi aber einen paſſenden Buſſard- oder Habichthorſt aus, wechſelt auh gern mit einem zweiten, ſo daß er in dem einen Jahre auf dieſem, in dem anderen auf jenem brütend gefunden wird. Vor dem Legen trägt er ſtets einige Reiſer auf, und während des Brütens ſ{<müd>t ex, wie andere Adler auch, den Horſt unwandelbar mit grünen Zweigen, ſei es in der Abſicht, ſi oder die Jungen dur dieſe zu verde>en, ſei es, um den Horſt beſſer rein halten zu können. Dur dieſes Auftragen wächſt ein vom Schreiadler regelmäßig beſetzter Horſt im Lauſe der Jahre zu bedeutender Höhe empor. Jn den erſten Tagen des Mai, ausnahmsweiſe vielleiht au< ſhon Ende April, legt das Weibchen im Laufe von etwa 3 oder 4 Tagen die 2 Eier, aus welchen der Saß zu beſtehen pflegt. Ein Ei findet man wohl nur dann im Horſte, wenn das Paar vorher geſtört worden iſt; 3 Eier zählen zu den größten Seltenheiten. Jhre Geſtalt ändert ab: es gibt eiförmige, rundliche und längliche; auh Färbung und Zeichnung ſind verſchieden: die blaß bläulihgrauen Flecken, die auf weißem Grunde ſtehen, ſind bald mehr, bald weniger ſichtbar oder ſpielen bei dieſen in das Gelbe, bei jenen in das Braunrötliche; einzelne Eier zeigen einen ſchönen Fle>enkranz um die Mitte 2c. Beide Gatten des Paares beteiligen ſi< am Brüten, ſißen außerordentlich feſt auf den Eiern, lieben ihre Brut ungemein und zeigen ſi< daher angeſichts eines Menſchen ſelten ſcheu, vorausgeſeßt, daß ihnen vorher niht wiederholt nachgeſtellt worden I

Vom Horſte verſcheucht, kehrt der brütende Schreiadler in der Regel ſehr bald wieder zurü> Kommt man zur Brutſtelle, ſo richtet er ſi langſam im Horſte auf und ſieht einen oft geraume Zeit an, bevor er ſih zum Fortfliegen entſchließt. Zuweilen ſigt er ſo feſt, daß er den Horſt erſt na< wiederholtem Klopfen verläßt. Thut er dies, ſo geſchieht es ſtets in abſonderliher Weiſe. Er wirft ſih nämlich anfänglich eigentümlich ſ{<hwankend von einer Seite zur andern, bis er im ſtande iſt, ſeine Schwingen zu vollſtändiger Breite zu entfalten, wird daher au<h beim Abfliegen ſelbſt von tüchtigen Süßen oft gefehlt. Nah einigen Kreiſen, die er über den Wipfeln der Bäume beſchreibt, kehrt er in die Nähe des Horſtes zurü> ſett ſi< zuweilen auf den nächſten Baum und beginnt kläglich zu ſchreien.