Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

290 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familte: Falkenvögel.

tü tü‘ ganz deutlih. An eine Adlerſtimme wird ex nicht denken, wenn er die des Zwergadlers mit dem heiſeren Laute eines Kaiſer: Stein-, See-, Fiſh- oder Schreiadlers vergleiht, ebenſowenig an die Stimme eines anderen Naubvogels. Während der Paarungsund Brutzeit beſteht die Stimme ſtets aus dem helltönenden Rufe, der je na< den Umſtänden bei Angſt und Freude mehrmals wiederholt wird. Sobald aber das Brutgeſchäft beendet iſt und die jungen Adler von den Eltern umhergeführt und zum Fange abgerichtet werden, verändern ſih die Schreie des Adlers, und beſonders die der Jungen ſind ſo dumpf, daß man kaum den reinen Frühlingston wiederzuerkennen vermag.“

Der Zwergadler iſt ein ſehr tüchtiger Näuber; denn kleine Vögel bilden das bevorzugte Wild, dem er nachſtellt. Graf Lázär gibt als Nahrung Ammern, Lerchen, Pieper, Finken/ Wachteln und Rebhühner, Graf Wodzicki außerdem no<h Stare und Meiſen an; ih habc Turteltauben in ſeinem Kropfe gefunden. Neben ſeinem Lieblingswilde jagt der Zwergadler auh auf kleine Säugetiere, namentlih Mäuſe, mit welchen Goebel die Kröpfe der von ihm unterſuchten angefüllt fand, und ebenſo verſhmäht er Kriechtiere niht; in Spanien bildet nah den Beobachtungen meines Bruders die Perleidechſe geradezu einen weſentlichen Beſtandteil ſeiner Mahlzeiten. Dreſſer bezweifelt nah ſeinen Beobachtungen, daß unſer Adler eine erwachſene Taube im Fluge zu fangen im ſtande ſei: ih kann ihm, geſtüßt auf eignen Befund, auf das allerbeſtimmteſte widerſprehen. Wahrſcheinlich ſteht ex dém Habichte niht im geringſten nah und fängt im Fluge und im Sigzen mit gleicher Geſchi>lichkeit. „Auf einem Moraſte“/ erzählt Graf Wodzicki, „beſchäftigten ſih große Scharen von Staren mit Aufſuchung ihrer Nahrung und lo>ten, wie es ſchien, einen Zwergadler aus dem benachbarten Walde herbei. Er kreiſte in hönen Shwenkungen über den Staren, die alle Augenbli>e einmal aufflogen und ſi<h wieder ſezten. Dieſes Spiel war dem Zwergadler zu langweilig, er wollte ſie alſo zum Aufſtehen bringen, um ſchneller ſein Frühſtü> zu bekommen. Mit Bligesſchnelligkeit flog er in gerader Linie auf die Stare zur Erde herab. “ Die Schar erſchrak und wollte in den Bäumen, unter welchen ih ruhete, Zuflucht ſuchen. Trot der geringen Entfernung, und obwohl die Vögel den Weiden zuflogen, wurde es dem Adler möglich, einen von ihnen zu fangen. Als ex herabſtieß, verurſachte ſein unbegreiflih ſchneller Flug lautes Brauſen. Nach glülihem Fange flog der Räuber auf eine nahe ſtehende Bude, ſetzte ſih hier auf das Dach, ohne auf die Jäger und Hunde zu achten, beſah die Umgegend mit großer Vorſicht längere Zeit und fing dann an, den Star zu rupfen. Dieſe Zubereitung der Mahlzeit dauerte über eine Viertelſtunde, und als ih dann den Adler \<oß, war der Star ſo ſchön gerupft, als wenn ex vom beſten Koche zubereitet geweſen wäre.“ Am liebſten jagt der Zwergadler im Walde und hier faſt nah Art des Habichts. In Ägypten gewähren ihm die Palmenwälder reihe Beute, und zwar ſind es gerade hier hauptſächlich die Turteltauben, denen er eifrig nachjagt; ſie haben vielleicht nux in dem ſüdlichen Wanderfalken noch einen ſ{limmeren Feind als den gewandten Adler. Deſſen Naubfähigkeit wird von dem ſ{hmarogßenden Bettlergeſindel wohl anerkannt; denn wie der Wanderfalfke wird auh. der Zwergadler von den Milanen eifrig verfolgt, ſobald er Beute erworben hat, und wie jener überläßt er ſie ebenfalls den frehen Bettlern.

Über die Fortpflanzung liegen gegenwärtig verſchiedene, unter ſi<h im weſentlichen übereinſtimmende Beobachtungen vor; insbeſondere haben Holz und Goebel in dieſer Beziehung unſere Kunde weſentlih erweitert. Am liebſten horſtet der Zwergadler in Laubwäldern, wenn es mögli iſt, in der Nähe größerer Flüſſe, ohne jedo< Nadelwaldungen gänzlich zu verſhmähen. Fm kaiſerlichen Tiergarten unweit Schönbrunn horſten alljährlich 1 oder 2 Paare. Graf Lázár fand in Siebenbürgen niemals einen Horſt in den Bergen und bezweifelt daher, daß der Zwergadler während der Brutzeit bis zu erheblichen Höhen emporſteige; Severzow dagegen berichtet, daß dieſer Adler im Tien-ſhan-Gebirge no<