Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

158 E Wegen Meineids.

Gerichtsboten, welchen der Schneider im zweiten Sto> die Treppe hinunter geworfen hatte. Jammernd und weinend ſtürzte ſih die S<hneiderfrau über den ganz ſtill Da= liegenden, und ſehr blaß kam der eben no< ſo wüthende Schneidex hinterher und ſtarrte voll Angſt auf das Opfer ſeiner Nohhbeit, welches Otto emporzurichten bemüht war.

Jeßt erſt erkannte Clſe den guten, wohlwollenden Mann, der ſich damals ſo theilnehmend gegen fie gezeigt. Die Dankbarkeit und das Entſeben, zugleih die Furcht, ex möge erwachen aus ſeiner Bewußtloſigkeit, ſtritten in ihr; fie konnte ſich kaum auf den Füßen halten.

Otto Mühlbrandt ſchi>te die Mutter, wel<he au< herzu gelaufen wax, und Elſe fort und brachte mit Hilfe von friſchem Waſſer den Geſtürzten wieder zu ſich.

Am Abend hatte Elſe noh eine fleine Standrede an= zuhören, welche der Bruder ihr hielt über ihre Faſſungê= loſigleit. Otto Mühlbrandt fühlte ſi<h als Haupt der Familie verpflichtet, ſehr ernſt zu betonen, daß Clſe ihn beſchämt habe mit ihrem Zittern, ihrer Bläſſe.

Einige Wochen ſpäter veiste er ab, und wieder einige Wochen darauf wurden Elſe und ihre Mutter als Zeuginnen vorgeladen in der Anklage gegen den Schneider, der fich in einem bemitleidenswerthen Zuſtande von Angſt und Reue befand.

Wie dieſe Vorladung Elſe wieder erſchre>te! Gottlob, das Verhör fand in einem ganz anderen Gerichtslokal ſtatt, ein anderer Beamter hatte die Unterſuhung zu führen. Elſe ſcheute ſih ſo ſehr davor, ihren gütigen alten Bez ſchübßer, den Amlsgerichtsvath, wiederzuſehen, daß ſie ihm