Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

Von Klara Reichner. 195

auf die Leiche nieder. Als die Litanei zu Ende wax, näherte ſih der Geiſtliche der Unbekannten und flüſterte ihr die Bitte zu, jet ſich zu erheben.

Sie hörte nicht, antwortete nicht, auh auf ſeine wieder= holte Bitte nicht. Da erfaßte ex ſanft ihre Hand, fuhr aber erſhre>t zurü>. Die Hand war kalt und leblos. Man entſ<hleierte das Antliy der Dame — ſie war todt! Zugleich aber ging ein einſtimmiger Ruf des Schre>ens durch die Menge, denn man hatte in der Todten die ſchöne Tochter des Segura, Donna Jſabella, erkannt.

Laut jammernd ſtürzte der unglü>lihe Vater auf die Leiche, ſtarr vor Schmerz und Entſeßen ſtand Rodrigo.

Man ſette das Begräbniß aus, denn der Regidor der Stadt fand den Fall ſo merkwürdig, daß er erklärte, erſt mit dem Stadtrath darüber berathen zu wollen. Das Ergebniß war der Beſchluß des Rathes : die beiden Lieben= den fortan niht mehr zu trennen, ſondern ſie zuſammen in ein größeres Grab in der Kirche zu legen, deſſen Monu= ment die Stadt auf ihre Koſten errichten laſſen wollte.

So geſchah es auh. Links vom Hauptaltare der Kathedrale erhob ſi< bald darauf ein Denkmal, das die Inſchrift zeigte: „Hier liegen die berühmten Liebenden von Zeruel.“ —

Und niht minderen Reſpekt wie einſt das romantiſch= ritterliche Volk der Spanier, bewies auch der Tod felber gegen fo ſeltene und heiße, denno< aber pflichtgetreue Liebe, indem er die dur< ihn vereinten Lebenden auh no< im Grabe ſchonte.

Es war im Jahre 1619, als man dieſe überraſchende