Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

ITT. Metternich gegen Deutſchlands Freiheit. TES

ſandten zum erſten Male zuſammenfanden. Vorher hatte der preuFiſche Vertreter noch einen Verſuch unternommen, ein Einverſtändnis zwiſchen Öſterreich und Preußen über die Teilung der Macht im Bunde zuſtandezubringen. Als Grundlage wurde das Prinzip der Gleichſtellung beider Staaten vorgeſchlagen; der Geſandte der Wiener Regierung ſollte den Vorſit, in der Bundesverſammlung inn& haben, der Sendbote des Berliner Kabinetts das Protokoll führen. Jm Bunde3heere hätten die beiden Großmächte natürliche Kriſtalliſationspunkte bilden ſollen; die Truppen der kleineren Staaten wüären demnach an die Armeen Öſterreichs oder Preußens anzuſchließen geweſen. Solche Anträge konnten dem Fürſten Metternich nicht ſehr gelegen fommen. Obgleich er im erſten Augenblicke eine freundliche Miene gezeigt hatte, wartete er nur auf den paſſenden Moment, um ſeine Berliner Kollegen aus dem Himmel ihrer Hoffnungen zu ſchleudern. Die Vorſchläge Preußens wurden den Geſandten der andern Bundesmitglieder bekanntgegeben und bewirkten bei den fleineren Staaten Aushbrüche der Entrüſtung. Der Bund könne auh ohne Preußen beſtehen, meinte der Vertreter von Melenburg troßig. Metternich hatte erreicht, was er wünſchte. Die Berliner Regierung mußte den Geſandtenpoſten bei der Bundesregierung einem neuen Manne anvertrauen. Am 5. November 1816 ging die Eröffnung der Bundesverſammlung in Frankfurt a. M. vor ſich. Die Bürger dieſer Stadt, die Zeugen ſo mancher prunkvollen Kaiſerkrönung geiveſen waren, ſtaunten über die Nüchternheit der Zeremonie. Der öſterrei= chiſche Geſandte, der den Vorſiß zu führen hatte, hielt eine phraſenreiche Rede, die zur Fnhaltsloſigkeit der Bundesverfaſſung paßte Ÿ").

Das \<hwerfällige Räderwerk des Deutſchen Bundes war doch in Gang gekommen. Aber jeßt, da es knatternd ſeine Drehungen voll=führte, wurde der ganze Jammer erſt offenbar. Die Wirklichkeit unterſchied ſich auch gar zu kraß von den Jdealen, die am ſtärkſten im der Jugend des deutſchen Volkes lebten. Darum gebärdeten ſich die Studenten am aufgeregteſten und unruhevollſten. Schon im Jahre 1810 hatte Jahn in Berlin den „Deutſchen Bund“ gegründet, eine Vereinigung, die es thren Mitgliedern zur Pflicht machte, „ſich frei und ſelbſtändig nach eigentümlicher Weiſe im Lernen und Leben zum deutſchen Manne zu bilden“, fromm und deutſch zu leben und dem Vaterlande zu dienen. Ähnlich organiſierte ſich die Hochſchuljugend in andern Städten.

1) H. v. Zwiedine>-Südenhorſt. Deutſche Geſchichte von der Auflöſung bis zux Errichtung des neuen Kaiſerreichs. Stuttgart 1903, 2, Band.