Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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5, Juli.

Dieſe Nacht wax ſehr ſ<hle<t, aber der Tag war dagegen beſſer als der geſtrige. Der König ſchi>te mir eine Stafette und ſchrieb, daß ex mit dem kalten Fieber in Char= lottenburg angekommen ſei. Jh wollte es der Königin ſagen, dex Arzt wax auch meiner Meinung, abex die Andern miſchten ſih hinein, ſelbſt Schilden, und machten ein großes Geſchrei, es könne thr ſchaden ; i<h ärgerte mih und ſchwieg © ſtille.

Ach wie fſehnli<h wünſchte ih, daß meine arme Königin beſſer würde; i<h kann es gar niht aushalten, ſie ſo leiden zu ſehen!

6. Juli.

Die Königin hatte eine etwas beſſere Nacht, das Fieber iſt heute ganz unbedeutend aber ſie iſ ſehr ſ{<hwa<h. Eine Stafette aus Charlottenburg brachte das Bulletin von Wiebel und Briefe von Köckriß, dex ſagt, der König habe das Fieber, man wiſſe aber no< nicht, was für ein Fieber.

Jh ließ den Arzt rufen und ging mit ihm zux Königin, um daß er ihr ſelbſt den Brief und das Bulletin über den König vorleſe und ſie beunruhigte ſih durchaus nicht darüber. Meine Enkeltochter Vosf und Frau von Berg kamen von Groß-Giewiß an. Jh blieb den Tag über nicht im Zimmer der Königin, ſondern ging nur öfters hinein, weil die Her-= zogliche Familie ohnedem ſehr viel bei ihr war. Man führt [eider hiex ein ſo müßiges unbeſchäftigtes Leben, Niemand nimmt etwas Rechtes vor, und ih kann es wegen der Pflege auh niht, aber ih werde Gott danken, wenn wix hiex wieder fort können.