Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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unſexen Gütern in Me>lenburg an, der Vorräthe, Wild und Küchenbedürfniſſe allex Art brachte, auh Brieſe dabei, die nur erzählten, welche Menge von Menſchen bereits aus Berlin nah Streliß geflohen ſcien. Dann kam eine Stafette aus Perleberg mit der Nachricht, die Schweden ſeien im Vorrücken begriffen, folglih werde der Weg von hier aus na< Meeflenbuxrg ſehr bald niht mehr frei ſein. Mein Mann ſagte mix, das Vorſichtigſte würde ſein, mih mit den Kindern augenbli>li<h dorthin zu ſchi>en, ſo lange der Weg noh offen ſei; aber dieſer Plan wax mix ſ{hre>li<. Abends ging i<h an Hof, wo es ſehr voll war; alle Prinzeſſinnen waren gekommen und die Keyſerling, die nihts als Thorheiten im Kopfe hat, ſprah nur von Puy und Toiletten und machte mi<h ganz ungeduldig. Die Golß ſchien ſehr ängſtli<h und unruhig; ih bot ihr an, zu uns auf’3 Land zu gehen, im Fall wix hier fort müßten, und ſie nahm dies Anerbieten dankbar an. Die Königin ſpra<h unaufhörlih wie immer und wollte immer Recht haben. Sie ſagte: „Berlin habe gar nicht kapitulirt, Uneinigkeit ſei unter unſeren Generalen ausgebrochen, der Prinz von Würtemberg in Folge derſelben plöylih von Berlin abgereiſt und das hätten die Ruſſen benußt, um in die Stadt einzudringen und wunderbarerweiſe hätten ſie es in dex beſten Ordnung gethan.“ Das Leßtere wäre gewiß niht der Fall geweſen, wenn keine Kapitulation ſtattgefunden hätte, um es zur Bedingung zu machen.

Man glaubt jeht, das Korps von Lascy ſei niht in Berlin ſelbſt, und daß man, um uns zu täuſchen, es getheilt habe. Es heißt, Tottleben wohne im Königlichen Schloß, aber da keine Poſten von Berlin kommen, ſind dies Alles eben nux Gerüchte.