Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

R.

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13, October. “_J< war wie immer den Abend an Hof, mein Mann zum Souper bei dex Prinzeſſin Amalie. Während der ganzen Tafel \pra<h die Königin unausgeſeßt und zwar nux über den Krieg, und verſicherte uns, ſie allein wiſſe genau Beſcheid über die Bewegungen der Heexe. Frau von Roeder ſagte mix nachher: ein Offizier ſei aus Berlin angekommen, der ebenfalls ſage, es habe feine Kapitulation ſtattgefunden, die Ruſſen hielten aber troy deſſen bis jeht gute Mannszucht. Das Bataillon von Wunſch habe bei dem Rückzuge unſerer Truppen nah Spandau ſehr gelitten, von dem ganzen Bataillon ſeien nux ſieben Mann am Leben geblieben. Ach, wie viel Blut wixd vergoſſen in dieſem ſ{hre>li<ſten aller Kriege, und wie muß man ſein Ende herbeiſehnen und es tägli<h von Gott erflehen! 14, Octobex.

J< ging mit dex Kneſebe> zu der ſhönen Fee, die uns zum Kaffee eingeladen hatte. Eine alte Franzöſin, eine Kartenlegerin, kam hin und wix ließen uns bereden uns von ihr wahrſagen zu laſſen, was jedoch cinzig darin be= ſtand, daß ſie tauſend Unſinn ſprah und uns immerfort verſicherte, wix würden ſehr bald gute Nachrichten haben. Es wäre zu wünſchen, daß ſie darin wenigſtens wahr ſagte! —

Dann kam Graf Wartensleben der, wie gewöhnlich, den Narren ſpielte. Zu Hauſe empfing mih in der That die unerwartet gute Nachricht, daß die Ruſſen am 12. Berlin wieder verlaſſen haben! — Dex Grund ihres plößlichen Abzuges iſ die Furcht vor dem Heranrücken des Königs, der aus S{hleſien aufgebrochen ſein ſoll. Dieſe Nachricht hat