Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Roman von Georg Hartwig. 45

brach fie in einen Thränenſtrom aus — „ſondern daß ih vielleicht elender daran ſei als Du, daß ih wie ein ge= fangener Vogel im Käfig nah freier Bewegung ſ<hmachte, daß ih meinen ſ{hönſten Freuden entſagte aus Liebe zu Dix, und daß eben dieſe Liebe mi<h hintergangen hat! Das ſage ihr, und dann laß ſie no< einmal über meine Schwächen zu Gericht fißen!“

Meiſchi> hatte während dieſes leidenſchaftlichen Erguſſes den Brief an ſi< genommen und geleſen. Als Junta auf= athmend, wie über ſi< ſelbſt erſ<roden, ſ<hwieg, fragte er ruhig: „Biſt Du nun zu Ende mit Deinen ſrevelhafien Lamentationen? Und fannſt Du ein vernünftiges Wort hören? Es liegt wohl in der Natux der Sache, daß die nächſte Verwandte Theil nimmt an dem wichtigſten Schrilt meines Lebens. J<h zeihnete Dich ihx lebenswahr, mit allen Vorzügen und allen Schwächen, niht mit dem Enthuſiasmus eines blinden Liebhabers, ſondern mit der Feder des nachdenkenden Ehemannes. Biſt Du fo thöricht, feine Wahrheit ertragen zu können? Bitte, feine Unter-= bre<ung jeßtl“ fiel er ihr {rof in's Wort. „Und weiter, welche Beleidigung Yat Deine Eitelkeit aus dieſem wohl= gemeinten Schreiben herausgeleſen? Wo ſteht eine Ehren=tränfung? Biſt Du mehx als ein dex Erziehung bedürf= tiges Kind? Und liebt man darum Jemand weniger, weil man Grund hat, zuweilen unzufrieden zu ſein? Biſt Du eine ſorgſame Hausfrau? Weißt Du überhaupt, welche Borräthe von Leinzeug Du in Deinen Schränken beherbergſt? Kaum! Wenn ih Dich nun deshalh nicht ausdrüdli<h tadle, ſondern es verſuche, Dich langſam da-