Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

74 Der Lalisman des Weibes,

aber auch ebenſo angelegentli<h dahin, ſie verſtehen zu ler= uen, und verlange niht eine einſeitige Hingabe, oder Du hätteſt Dix ein Gänschen wählen müſſen, feine Jrma. Sei mehr Liebhaber, als Herrſcher und Lehrmeiſter. Frauen= licbe und edles Metall wollen ſorgfältig und zart behan= delt tverden, um zu glänzen. Wer fährt mit eiſernem Stift über eine Goldſchale? Wir laſſen uns geduldig eine Thorheit aus dem Herzen küſſen, aber uns nux ſehr ſchwer dur< Gründe überzeugen. Wenn jeder Stand im Leben eine gewiſſe Diplomatie erheiſht, weshalb niht auch der Cheſtand? Erſt alle Mittel der Unterhandlung erſchöpfen, dant die Kriegserflärung! Jt es aber fo weit gekommen, ſo muß Deine Autorität ſiegen, ſelbſt wenn der Frau etwas Unrecht geſchehen follte im Kampfe — ein echtes Weib iſt damit zuleßt immer einverſtanden. Der Mann fann ja ſpäter bei den Frieden8unterhandlungen ſo viel Zugeſtändniſſe machen, daß der Schaden reihli<ſt ver= gütet wird.

Verzeih? dieſe Abſchweiſung, lieber Neffe, Du ſiehſt, wie Euer Glü>k mich fortdauernd beſchäftigt. Grüße an Euch Beide, Dich und Jrma. Gib das verlangte Ver= ſprechen und hole Dir Gretchen am 183. ab.

Deine alte Tante Käthe.“

Dieſen Brief, welcher Meiſchik zum ernſten Nachdenken über ſich ſelbſt veranlaßte, zeigte er Jrma niht. Ex hielt ihn für ſ<hädli<h, denn er bezweifelte die Glaubwürdigkeit ſeines Jnhaltes ſtark, zumal àuf ſein eigenes Verhältniß angewandt. Hätte er ihn der jungen Frau vorgeleſen, ſo würde Tante Käthe eine ebenſo begeiſterte Anhängerin ſi<