Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

106 Der Talisman des Weibes.

der ZUſtizrath, die Anweſenden muſternd. „Junge und hübſche Weibchen brauchen weder Ermahnung noh Zu-= ſpruch, ſie herrſchen abſolut in der Welt. Das wiſſen die kleinen Schelme nur zu gut! Da ſehen Sie einmal, Herr Graf, die Rothblonde in der erſten Reihe! Pikante, üppige Erſcheinung, wie?“

Der Cintritt des Vortragenden überhob Freiberg der Antwort.

Sogleich bra< ein donnernder Applaus, untermiſcht mit begeiſterten Zurufen im tweiblichen- Auditorium los, welchen Doktor Fowder mit den üblichen drei Verneigungen in Empfang nahm.

Seine perſönliche Erſcheinung wax die eines gebildeten Mannes, groß, ſchlank, mit etwas nach vorn geneigter Hal= tung. Den Kopf trug er je na< den Verhältniſſen, als Triumphator ſtolz emporgerichtet, oder bedeutſam geſenkt wie ein Arzt, welcher über das Leiden eines theuren Patienten nachſinnt und die richtige Heilmethode ſoeben ge= funden hat. Nichts konnte wechſelnder ſein, als der Bli ſeines grauen Auges, dem bald etwas fkazenartig Lauerndes, bald taubenhaft Harmloſes, bald flammend Begeiſtertes zu Grunde lag. Den ausgeſprochen finnlihen Schnitt ſeines Mundes wußte Doktor Fowder mit einem reſignirten Lächeln meiſtens geſchi>t zu verhüllen, wie er denn über-= haupt jene Beweglichkeit der Geſichtsmuskeln entwidelte, die alle ſeeliſhen Empfindungen, unwahre und wahre, je nah Bedürfniß, zur Schau ſtellt.

Nachdem ſeine Verehrerxinnen ſich etwas beruhigt hatten, nahm der Gefeierte den Sih hinter dem Tiſche ein, dabei