Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

— Roman von Georg Hartwig. 103

Gerade auf Tante Käthe richtete ſie unwiſſentli<h den lichtloſen Blick und bewegte damit deren Herz ſo gewaltig, daß dieſe niht umhin konnte, die herabhängende Hand JIrmengard's zu erfaſſen.

„Ja,“ ſagte ſie mit ihrer tiefen, ſonoren Stimme, „Jo iſt es. Jh hörte durch meinen Schwager von Fhrem Schifſal und bin bereit, Sie in meinem Hauſe willkom= men zu heißen.“

Die Stiftsdame hatte Jrmengard nie geſehen, deſto mehr überraſchte ſie die unbeſchreibliche Anmuth dieſer Züge, welche troy Krankheit und Seelenangſt ihren bez ſtridenden Zauber nicht eingebüßt hatten. „Nicht wahr, Sie werden gern mit mir gehen?“ fragte ſie gütig.

„Mix iſt Alles glei<h, am liebſten ſtürbe ih,“ erz wiederte Jrmengard in machtloſer Verzweiflung. „Gäbe man mix eine Waffe —“

„Das ſind frevelhafte Gedanken,“ flüſterte der Juſtiz= rath, ihr goldenes Haar liebkoſend. „Jhre Pflicht iſt es, ſich mir zu erhalten, der i<h Sie ſehr, ſehr lieb habe, wie Sie wohl wiſſen !“

Sie hörte niht darauf.

Tante Käthe aber hatte in dieſer furzen Zeit tief genug hineingeſehen in die troſtloſe Oede und Hoffnungsloſigkeit eines gebrochenen Willens, um ihren Entſchluß freudigen Herzens vox Margarethens Andenken zu verantworten. „Es bleibt dabei!“ ſagte ſie nah furzer Pauſe. „Jh werde Sie in wenigen Tagen abholen und verſpreche Jhnen im Voraus meine volle Theilnahme. Darauf hin können Sie mix getroſt folgen.“