Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

108 Der Talisman des Weibes.

eine Heilanſtalt denken können. Jedenfalls richten Sie Jhre etwaigen Briefe an meine Adreſſe.“

Die Glo>ke läutete zum dritten Male, und während der Zug langſam den Bahnhof verließ, eilte der Juſtiz= rath an den Billetſchalter und erſtand ein Rundreiſebillet nah dem Orient. Jn die Reſidenz zurü>zukehren war ihm unmögli<h geworden.

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Das Stift der adeligen Damen, welchem Tante Käthe ſeit ihrer frühen Wittwenſchaft angehörte, lag in einer größeren Provinzialſtadt Schleſiens ziemlich romantiſh am Ufer eines beſcheiden vorüberwallenden Flüßchens. Von außen ſah der maſſive Bau mit ſeinem dunkelgrauen Ge= wande, dem ſargähnli<h geformten Dach, den niht eben großen Fenſtern freili<h eher düſter als einladend aus, aber hatte man nur erſt den hohen, kühlen Hausflux betreten, welcher ſein Tageslicht dur<h bunte Scheiben er= hielt, die den ſteinernen Fußboden bis hinauf zu den bei= den Treppenmündungen mit lieblihem Farbenſpiel ſchmücd= ten, ſo ſöhnte man ſi< mit dex melancholiſchen Monotonie der Außenſeite aus. Sobald der Lenz erwachte, öffnete ſich die bis dahin ſorglich verſchloſſene ſ<hmale Hinterthüre in den geräumigen ſchattigen Stif:sgarten, deſſen hohe Lindenbäume weithin dufteten und unter deſſen Laubgängen es ſich ſo trauli<h und ungeſtört luſtwandeln ließ. Eine Tülle von Blumen und bliühendem Geſträuh umzog die ſorglih gepflanzten Gänge, von deren gelbem Kie8grund die ſchwarzen Gewänder der Stiftsdamen ſich charakteriſti