Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

10 Der Talisman des Weibes.

Sie ſchüttelte das Haupt. Was fie einpfand, ließ ſi<h uicht in Worte kleiden. Weder dex verwunderte Blick, no die ungelenke Verbeugung Mechelmaun?'s rüttelten fie aus ihrer äußeren Apathie los, in ihrem Gehirn dagegen wirbelten Gedanken, die unaufhörlich hinüberſchweiften in jene Sittlinger Tage und wieder zurü> in das traurige, verwaiste Heim dieſes beklagenswerthen Mannes. Die Nerven der jungen Frau waren bis zum Aeußerſten geveizt.

„Bringe mir Wein, Suſanne!“ rief ſie endlih aufz ſpringend außer ſich. „Champagner gib mix, Suſanne! Z<h habe ein Gefühl, als müßte i< exſti>en !“

Die Zofe ordnete das Verlangte zierlih auf dem Eck= tiſhchen untex dex ſchwankenden Palme, aber Jrmengard wies heftig auf einen entgegengeſeßten Plaß.

„Dort will ih niemals wieder ſißen — verſtehſt Du, Suſanna? Niemals!“ Sie ſprach in überſtürzendex Eile wie Jemand, der ſi< mit Gewalt von einer Vorſtellung lo8reißen will. „Wo ſind die Einladungskarten der leßten Tage? Gib ſie her! Heute nichts? Doch, ein Souper im „Ruſſiſchen Hof“! Was werde ih anziehen? Blau mit Maiglö>chen — nein, die rothe Damaſtrobe, oder beſſer, ih hebe dieſe auf für das Feſt des Präſidenten v. Ex= leben! Bringe die neueſten Kartons her, Suſanne! Schuell doh! Ach, wie herrlich kühl perlt dex Champagner !“

„Zu dem rothen Damaſt,“ plauderte das Mädchen geſchäftig, während ihre Herrin planlos in den koſtbaren Gewändern umherwühlte, Alles verwarf, um endlich ihrer erſten Eingebung zu folgen, „zu dem rothen Damaſt wird der Brillantſ<hmuc>k des Herrn Grafen wundervoll ſtehen.“