Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Roman von Georg Hartwig. 59

zerſtob! Daß ex ſie niht gewaltſam verſtummen machen durfte, dieſe falſchen, treulos lächelnden Lippen! Feßt zum exſten Male empfand Meiſchi> die Qual, unter den Verhältniſſen zu ſtehen, eine Erkenntniß, welche ſein em-= pfindliches Selbſtgefühl bis zum förperlichen Schmerz em= pörte. Und als ex derart an ſein beſſeres Jh erinnert ward, da löſchten jene unbewachten Flammen wie unter einem Ciſesſchauer aus; ex warf es mit zu Jrmengard!s untilgbarer Schuld, ihn vox ſi ſelber gedemüthigt zu haben.

Nicht länger unentſ{loſſen , richtete er nunmehr kalt und forſchend den Bli> auf ſein ahnungsloſes Weib, deſſen Silberſtimme glei<h dem Frühlingsſang der Lerche jubi= lixend auf und nieder ſ{hwebte, mühelos und ſpielend wie die perlenden Tropfen des Schaumweins. Da plöß=z lich, durch einen entzü>ten Ausruf ſeiner Nachbarin ver= anlaßt, erhob Jrmengard die Augen und ihr Blik traf Meiſchi>. Ex wich demſelben nicht aus. Sie aber fühlte bei ſeinem Anbli>, daß ihr Blut in den Adern gerann und Schauex, wie die Nähe des Todes ſie vorausſendet, zu einem lähmenden Entſeßen in ihr zuſammenfloſſen. Gleich dem Vogel vor dem bezaubernden Bli der Schlange, unfähig zu fliehen, fühlte Jrmengard die wohlbekannten, flaren, unbarmherzigen Augen ſich mit fascinirender Gez walt in ihr jäh erbleichendes Antliß bohren, daß ſie es nicht abwenden fonnte, ah, niht abwenden wollte.

Dex Ton in ihrer Kehle zerriß wie der Schall einer zerſprungenen Glo>e, die Hände verloren ihre Spannkraft und ließen den duftigen Strauß achtlos zu Boden gleiten,