Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Roman von Georg Hartwig. 63

gehaltene Zwang mit einem gepreßten Angſtruf von thr ab. Alles war vergeſſen außer ihm. Es war kein Traunt geweſen, nein, dur< den düſteren Nebel noch, der ihr bre= <endes Auge umſchattete, hatte ſie Meiſchi>s erſehnte, gefürchtete Züge erkannt. So, ganz ſo ſtand er in jener ſ{<hre>lichen Winternacht vor ihr, als fie in wahnſinnigen Txob einem hohlen Phantom nachjagte, das eben jebt ein ſo flägliches Ende in ihren vergebenden Worten gefunden. Ach, Hans Meiſchi> hatte keine Kenntniß von “den Seelenqualen, welche fie damals über ſich heraufbeſ<hworen, ſonſt hätte er niht ſo fühllos auf ihre Noth herabſehen fönnen. Aber ex ſollte ſie kennen lernen, aus ihrem eige= nen Munde ſollte er ſeine mißa<hteten Lehren beſtätigen hören, und wenn ex dann no< von gerechter Strafe und unbarmherziger Gerechtigfeit ſprach, wenn er ihren Neuez thränen Hohn entgegenſeßte — fie konnte es niht aus= denken. Ein heißer Strom durchzog ihren ganzen Körper. Nicht um den Stachel aus ihrer Bruſt zu reißen, niht um ihren bangen Nächten Frieden zu geben, ſehnte Jrmen= gard Meiſchi’s Nähe herbei, die Liebe vielmehr, die verz borgen glühende, nun jäh hervorbrechende Liebe ließ ſie ſo leidenſhaſtli<h na<h ihm verlangen, daß alle Furcht, alles Schamgefühl davon verzehrt ward. Sie wax nie ſo ſehr Weib geweſen als in dieſem Augenbli>, weil ſie nie zuvor ein ſo vollſtändiges Aufgehen ihrer Perſon in der Perſon des geliebten Mannes empfunden hatte. Dreyſing klopfte vorſichtig an die Thüre und öfſnete auf ihren Ruf ſ{<nell. „Mein Kind, mein armes Kind |“ Sie flog von ihrem Lagex auf und ſchlang die Arme