Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Roman von Georg Hartwig. 81

ſi niht vergeſſen laſſen. Jn dieſem Wort allein wurzelte das Mitgefühl, deſſen er ſi<h niht erwehren konnte und welches er um ſeiner Pflichten gegen Margarethe willen JIrmengard doh niht ſchenken durfte. Daher die un= erträgliche Spannung zwiſchen Wollen und Dürfen, welche Meiſchi> heute zum erſten Mal empfand. Jeder theil= nehmende Gedanke an Jrmengard wax eine Sünde gegen Margarethens zärtli<hes Vertrauen. Ein Mann, wie er, mußte an dieſem Zwieſpalt wie an einer Galeeren= kette ſ{<leppen. Ex beklagte niht ſi<, er beflagte nur Margarethe, welcher ex dieſe verhängnißvolle Begegnung niht mittheilen durfte, niht mittheilen konnte, ohne ſie für alle Zeit aus ihrem friedlihen Glauben herauszuſchre>en. Dreyſing ging mit finſteren Blicken dicht neben ihm vorüber. Da wußte Meiſchi>, daß Jrmengard das Feſt verlaſſen habe. FJebt follte auh ex, dieſer Verehrer ſeiner eigenen Gottheit, wie Freiberg ihn einſt höhniſh genannt, an ſi erfahren, daß Menſchen vor dem Sturmwind ihrer Gefühle wie ſteuerloſe Schiffe dahingleiten. Warum fürch= tete er jeht für ſein ſ{huldiges Weib, obwohl er in den drei Jahren der Trennung gleihmüthig gegen ihr ferneres Schifſal geblieben war? Unbewußt hatte ex denno<h an Írmengard's beſſeres Selbſt geglaubt, und jebt, wo ſie in der Verzweiflung den Glauben an ſi< ſelbſt verloren, erſchien ihm die Vorſtellung ihres Falles unerträglich. Ex wußte, Viele ſtanden um ihn her, die auf ein gewährendes Lächeln ihrer Lippen mit Jnbrunſt harrten, und er haßte in

Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. TY. 6