Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Trampeltier: Weſen. Nahrung. Fortpflanzung. Leiſtungen. 153

Auf üppiger Weide gedeiht auh das Trampeltier nicht, verlangt im Gegenteile Steppenpflanzen, welche anderen Tieren kaum genügen, beiſpielsweiſe Wermut, Lauch, Schößlinge von allerlei Geſtrüpp und dergleichen, insbeſondere aber Salzpflanzen, wenn es zu Kräften kommen oder bei Kräften ſih erhalten ſoll. Salz gehört zu ſeinen unabweislihen Bedürfniſſen: es trinkt das ſalzhaltige Waſſer der Steppengegenden mit Wohlbehagen und nimmt das an ihren Rändern ausgeblühete Salz gierig und in Menge auf. Muß es an Salz Mangel leiden, ſo magert es auch auf der ihm ſonſt am beſten zuſagenden Weide ab. Vom Hunger gepeinigt, frißt es, was es exlangen kann, laut Prſhewalski ſogar Lederriemen, Filzde>en, Knochen, Tierbälge, Fleiſch, Fiſche und andere Gegenſtände.

Die Paarungszeit fällt in die Monate Februar bis April. Die Stute bringt 13 Monate ſpäter ein Junges zur Welt. Dieſes iſt ſo unbehilflih, daß es in den erſten Tagen ſeines Lebens ſorgſam unterſtüzt und an das Euter ſeiner Mutter gelegt werden muß, folgt leßterer aber bald auf allen Wegen nah und wird von ihr ſehr geliebt. Einige Wochen nah ſeiner Geburt beginnt es zu freſſen und wird nunmehr zeitweilig von ſeiner Mutter getrennt, weil man dieſe ebenſogut melkt wie jedes andere Herdentier der Steppe. Jm zweiten Jahre wird dem Füllen die Naſe durhſtohen und der Zaumpflo> in die ſo gebildete Öffnung geſte>t; denn von jeßt an beginnt ſeine Abrihtung. Jm dritten Jahre ſeines Alters wird es zu kurzen Ritten, im vierten zum Tragen leichter Laſten benutzt; im fünften Jahre gilt es als erwalſen und arbeitsfähig. Bei guter Behandlung kann es bis zum 25. Jahre Dienſte leiſten.

Um Satteldru> zu vermeiden, legt man auf beide Höcker mehrere Filzde>en und erſt auf dieſe den meiſt gepolſterten Laſtſattel, an welchem die Frahhtſtüe feſtgeſhnürt werden. Ein kräftiges Trampeltier legt mit 220, ein ſehr ſtarkes mit noh 50 kg mehr tägli<h 3040 km, mit der Hälfte der Laſt aber im Trabe faſt das Doppelte zurück, vermag im Sommer 2 oder 3, im Winter 5—8 Tage zu durſten, halb ſo lange ohne Beſchwerde zu hungern und beanſprucht bei längeren Reiſen nux alle 6—8 Tage eine Raſt von 24 Stunden Dauer. n der Mongolei belaſtet man es im Sommer bloß ausnahmsweiſe, in den von Kirgiſen durchzogenen Steppen höchſtens, um eine Jurte von einem Lagerplaße zum anderen zu [<hleppen; hier wie dort aber mutet man ihm im Winter ſ<were Dienſtleiſtungen zu. Auf der Straße von Peking nah Kiachta gönnt man ihm erſt nah Ablauf der Reiſe, welche einen vollen Monat währte, 10—14 Tage Naſt und läßt es mit ſolchen Unterbrechungen während des ganzen Winters, alſo 6—7 Monate, arbeiten; in den weſtlichen Steppen ſtrengt an es niemals in gleicher Weiſe an. Mit Beginn der Härung, vom März an, ſchont man es hier wie dort ſoviel wie möglich; na<hdem der größte Teil des Haares ausgefallen oder ausgekämmt worden iſt, bekleidet man es mit Filzdeen, läßt es auch ſtets auf ſolchen ruhen, damit es ſih nicht erfälte. Während dieſer Zeit, in der öſtlichen Mongolei ſogar während des ganzen Sommers, gewährt man ihm die größtmögliche Freiheit, geſtattet ihm, faſt nah Belieben in der Steppe zu weiden, und treibt nur die Stuten, welche täglich fünfmal gemolken werden, allabendlich in der Nähe der Jurten zuſammen. Dieſes ungebundene Leben behagt dem Tiere ungemein. Raſch erſeßt es auf der nah eigenem Ermeſſen gewählten

Leide die verbrauchten Kräfte wieder, und förmlich ſtolz ſchreitet es einher, wenn das neugewachſene Haar ſeine im Frühjahre faſt na>te Haut wieder de>t. Jn der Kirgiſenſteppe wird es übrigens niht ausſ<ließli< als Laſttier ſondern einzeln wie paarweiſe auch als Zuglier verwendet und tritt auf Flugſandſtre>en ſogar an Stelle der Poſtpferde. H. Moſer tagt ſehr über die Langſamkeit einer ſolchen Poſtfahrt und ſchreibt: „Das Kamel (Trampeltier) geht nur im Sritte; dabei ſtößt es ein ſ<hre>liches Geſchrei aus, welches mit der Zeit ſo nervös macht, vaß nur diejenigen ſi< einen Begriſf davon machen können, welche das ſeltene Glü> genoſſen, von dieſem Tiere geſuhrwerkt worden zu ſein.“