Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

156 Elfte Ordnung: Paarzeher; zweite Familie: Kamele.

der Vicuñas und Guanacos iſt ſehr gut; es gleiht im Geſhmace dem Schaffleiſche. Fn der Stadt de la Paz habe ich geräuchertes Salzfleiſch von einem fetten Guanaco gegeſſen, welches mir ſo gut ſ{hme>te wie keines in meinem Leben. Endlich gibt es noch eine andere Art von zahmem Vieh, welches Paco heißt, aber ſehr garſtig und langwollig iſt; es hat auch die Geſtalt der Lamas oder Schafe, iſt aber kleiner. Die Lämmer gleichen ſehr den ſpaniſchen. Ohne dieſe Widder und Schafe wäre man nicht im ſtande, die vielen Waren von Potoſi, welcher einer der größten Handelspläge iſt, hin und her zu ſchaffen.“

Aus dieſen Angaben geht unzweifelhaft ſo viel hervor, daß ſih binnen dreier Fahrhunderte die vier verſchiedenen Formen der Lamas nicht verändert haben.

Alle Lamas ſind Bewohner der Hochebenen des gewaltigen Gebirges der Kordilleren. Sie befinden ſi< nur in den kalten Gegenden wohl und ſteigen deshalb bloß im äußerſten Süden bis in die Pampas oder großen Ebenen Patagoniens herab. Jn der Nähe des Gleihers liegt ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort in einer Höhe zwiſchen 4006 und 5000 m über dem Meere, und tiefer als 2000 m über dem Meere gedeihen ſie hier niht, während ihnen dagegen das falte Patagonien auh in geringeren Meereshöhen zuſagende Aufenthaltsorte bietet. Die wild lebenden ziehen ſih während der naſſen Fahreszeit auf die höchſten Kämme und Rücken der Gebirge zurü> und ſteigen während der tro>enen Zeit in die fruchtbaren Thäler herab. Sie leben in größeren oder kleineren Geſellſchaften, niht ſelten in Nudeln von mehreren hundert Stück und werden eifrig gejagt.

Der Guanaco oder Huanaco (Auchenia huanaco, Lama huanaco) iſt mit dem Lama das größte und, obgleich nur im freien Zuſtande vorkommend, eines der wichtigſten aller ſüdamerikaniſhen Landſäugetiere. Jn der Größe gleicht er etwa unſerem Edelhirſche; in der Geſtalt iſt es ein ſonderbares Mittelding zwiſchen Kamel und Schaf. Bei vollkommen erwachſenen Tieren beträgt die Geſamtlänge des Leibes 2,25 m, die Länge des Schwanzes 24 cm, die Höhe am Widerriſte 1,15 m, die Höhe vom Boden bis zum Scheitel 1,6 m. Das Weibchen iſt kleiner, dem Männchen aber vollkommen gleih geſtaltet und gleih gefärbt. Der Leib des Guanacos iſt verhältni8mäßig kurz und gedrungen, in der Bruſt und Schultergegend hoch und breit, hinten aber ſhmal, und in den Weichen ſehr ſtark eingezogen; der Hals lang, dünn, ſ{hlank und nach vorn gekrümmt; der Kopf lang und ſeitlih zuſammengedrüdt, die Schnauze ſtumpf zugeſpitzt, die Oberlippe vorſpringend, tief geſpalten, ſhwach behaart und ſehr beweglich, die Naſenkuppe behaart; die länglichen, {malen Naſenlöcher ſind verſ<ließbar; die Ohren haben ungefähr die halbe Kopflänge, länglich eiförmige Geſtalt und find ſ{<hmal, beiderſeitig behaart und ſehr beweglich; das Auge iſt groß und lebhaft, ſein Stern iſt quer geſtellt; an den Lidern, zumal an den unteren, ſißen lange Wimpern. Die Beine ſind ſchlank und hoch, die Füße länglich, die Zehen bis zur Mitte geſpalten und an ihren Spißen von unvollkommenen, kleinen, ſhmalen und zugeſpißten, etwas nah abwärts gekrümmten Hufen umſchloſſen, die Sohlen groß und ſhwielig; in den Beugegelenken der Vorderfüße fehlen die Schwielen, welche die anderen Arten, wie die Kamele, beſißen. Der Schwanz, welcher aufgerichtet getragen wird, iſt ſehr kurz, auf der oberen Seite ſtark behaart und auf der untexen Seite faſt gänzlih kahl. Das Euter des Weibchens hat vier Zißen. Ein ziemlih langer, reihliher, aber lo>erer Pelz bede>t den Körper. Er beſteht aus türzerem, feinerem Wollhaare und dünnerem, längerem Grannenhaare, iſt im Geſichte und auf der Stirn kurz, auf dem Scheitel ſchon etwas länger, vom Hinterkopfe an aber auf den Körperteilen, mit Ausnahme der Beine, verlängert zu einem wolligen Vließe, welches jedoh niemals die Weichheit des Lamavließes errei<ht. Am Bauche und an der Fnnenſeite der Schenkel iſt das Haar ſehr kurz, an den Beinen kurz und ſtraff. Die allgemeine Färbung iſt ein ſhmußiges Notbraun; die Mitte der Bruſt, der Unterleib und der After ſowie