Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Alpenſteinbo >: Geſchichtliches. 175

Von nun an durfte niemand mehr einen Steinbo> ſchießen, falls ex niht einen vom Erzbiſchofe eigenhändig unterzeichneten Befehl aufzuweiſen hatte. Man gab den Alpenbeſißern jährlih 100 Thaler, damit ſie kein Vieh mehr auf die oberſten Weiden führten, wo ſich die Steinböd>e aufhielten. Bis zum Fahre 1694 hatte ſih das ſtolze Wild auf 72 Böke, 83 Geißen und 24 Junge vermehrt. Als nun aber die Wilddiebereien wieder zunahmen, ließ man die Tiere von neuem einfangen, um ſie zu verſeßen oder zu verſchenken. Jm Jahre 1706 wurden 5 Bö>e und 7 Geißen gefangen, und ſeitdem ſah man keine mehr.

Ein neuerer ungenannter Berichterſtatter, deſſen Darſtellung eine ſorgfältige, an Ort und Stelle vorgenommene Quellenforſhung nicht verkennen läßt, glaubt übrigens, daß die Biſchöfe ſelbſt der Vermehrung des Steinwildes hinderlih waren und ſchließlih den Befehl zum Abſchießen desſelben gaben. Nachdem nämlih Erzbiſchof Guidobald, Graf von Thun, welcher in den Fahren 1654—1668 den Krummſtab führte, dur ſeinen Leibarzt Oswald Krems berichtet worden war, daß die Heilkraft einzelner Beſtandteile des Steinwildes eine außerordentliche ſei, ließ der Kirchenfürſt in der Hofapotheke zu Salzburg eine förmliche Niederlage von allerlei Steinbo>arzneien errichten und dieſe teuer verkaufen. Sein Nachfolger Max Gandolph, Graf von Kühnberg, hegte das Wild weidmänniſh/ ohne es kaufmänniſch zu verwerten, und der ihm folgende Biſchof Graf Fohann Ernſt von Thun, welcher von 1687 bis 1709 auf dem Stuhle ſaß, trat nict allein in ſeines Vorgängers Fußſtapfen, ſondern verſchärfte die Jagdgeſeße in unmenſchliher Weiſe, ſo daß unter ſeiner Regierung jeder ergrifſene Wildfrevler den Verluſt der Hand oder Galeerenſtrafe zu gewärtigen hatte. Unter ſeiner Regierung erreichte der Steinwildſtand Tirols und Salzburgs ſeinen Höhepunkt, indem im Fahre 1699 im Floitenthale über dritthalbhundert Stü gezählt wurden. Sieben Jahre ſpäter waren die Steinbö>ke verſ<hwunden, und das Volk flüſterte ſih zu, daß die ewige Gerechtigkeit handelnd eingegriffen habe, um die Fürſtbiſchöfe für ihre grauſame Strenge zu beſtrafen. Der wirklihe Sachverhalt war ein anderer. Fürſtbiſhof Johann Ernſt ſelbſt befahl das Steinwild auszurotten, nahdem man ihn überzeugt hatte, daß dur die ungeheuerlihen Geſeße Totſchlag und Meuchelmord, ja förmlihe Schlachten zwiſchen Wildhütern und Wilddieben in erſhre>licher Weiſe ſich häuften. Fortan hielt man in dieſem Gebiete nur noh in den Tiergärten Steinwild.

Wie in den bisher erwähnten Teilen der Alpen nahmen ſie auh auf den ſüdlichen Zügen des Gebirges ſo jählings ab, daß ſhon im Fahre 1821 Zummſtein bei der damaligen piemonteſiſhen Regierung auf das wärmſte für ſie ſich verwendete. Jn der That erwirkte er ein ſtrenges Verbot, das edle Wild fernerhin zu jagen. Dieſem Verbote haben wir es zu danken, daß der Steinbo> noh nicht gänzlih ausgeſtorben iſt und wenigſtens auf einem wenn auh ſehr beſchränkten Gebiete noh ſtändig vorkommt. Tſchudi behauptete noh im Jahre 1865, daß ſeit einigen Jahren die ſtolzen Tiere wieder in ziemlich zahlreichen Stücken am Monte Roſa erſchienen ſeien, wo man zum leßtenmal in den ſiebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts etwa 40 Stück bei einander, dann aber 50 Jahre lang kein einziges geſehen hatte. Doch werden am Monte Roſa durchaus niht etwa ſtändige Trupps, ſondern höchſtens dann und wann noch verſprengte Stücke unſeres Wildes bemerkt. „Jh ſtellte“, ſagt King in ſeinem im Jahre 1858 erſchienenen Werke über die italieniſchen TZhäler der Penniniſhen Alpen, „viele Nahforſhungen an und zwar an den verſchiedenſten Örtlichkeiten, bei Leuten, welche ih für vertrauenswürdig halten durfte, und ſie alle wußten nihts mehr von dem Vorkommen des Steinbo>es auf dem Monte Roſa und irgend einem Gebiete desſelben ſeit Menſchengedenken. Als ih den Val Tournanche erwähnte, lachten ſie nur. Über den Val de Lys konnte mir niemand beſſer Auskunſt geben als Baron Peccoz und die Albeſinis, die Nimrode des Val Macugnaga ; der eine wie die anderen aber verſicherten einſtimmig, daß der Steinbo> hier nirgends mehr ſich finde. Sein ausſ\<ließli<hes