Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, page 509
Stimme. Sinnesſchärfe. Weſen. Fortpflanzung. A471
einen Unterſchied zwiſchen dieſem und jenem Hahne wie der Hahn zwiſchen ihr und anderen Hennen. Vielweiberei gibt es niht unter den Tieren, vielmehr bloß Ein- oder Vielehigkeit. Der Hahn erſcheint uns nur als der begehrlihere Teil; ſtreng genommen treibt er es nicht ärger als die Henne: 15—20 Eier im Jahre, die befruchtet ſein wollen, ſind genug für einen weiblihen Vogel! Der Hahn aber bleibt, während die Henne brütet, ſi ſelbſt überlaſſen, und die Verſuchung tritt oft an ihn heran in Geſtalt anderer Hennen, die no< unbemannt ſind; ſein Gemüt iſt empfänglih für jeden Vorzug des ſanfteren Geſ<lehtes; er vergißt die eifrig brütende Mutter, und damit iſt alles übrige erklärt.
Es wird ſpäter erſihtli<h werden, daß vorſtehende Schilderung nur für den Kern der Ordnung gilt. Alle die Gruppen, welche zu Zweifeln hinſichtlih ihrer Verwandtſchaft mit eten Hühnern veranlaſſen, beweiſen dur< ihre Lebensweiſe, daß dieſe Bedenken gerechtfertigt ſind. Jhr Weſen während der Paarung und ihr Fortpflanzungsgeſchäft iſt durchaus verſchieden von dem ſoeben geſchilderten.
Der Hahn bekümmert ſih niht um das Schi>ſal ſeiner Brut, falls er dur< Größe und Färbung auffällt; iſt er dagegen bodenfarbig, der Henne ähnlih, ſo nimmt auch er am Brutgeſchäfte mehr oder minder Anteil. Fm erſteren Falle überläßt er der Henne, die Eier zu bebrüten und die Jungen zu führen, ſtellt ſih wenigſtens erſt dann wieder bei der Familie ein, wenn das langweilige Geſchäft des Bebrütens glü>lih beendet iſ, und dient nunmehr als Warner und Leiter der jeßt zuſammengehörigen Schar oder geſellt ſich erſt dann zu den Jungen, wenn dieſe erwachſen ſind; im leßteren Falle waht er vom erſtgelegten Eie an ſür die Sicherheit der Mutter wie der Brut und ſetzt ſi< mit Vatertreue erſichtlihen Gefahren aus, in der Hoffnung, jene zu retten.
Weitaus die meiſten Hühner brüten auf dem Boden. Jhr Neſt kann verſchieden ſein, wird jedoch niemals fünſtleriſh angelegt. Die Mutter beweiſt gewiſſe Sorgfalt in der Auswahl des Plates, ſcheint es aber für unnötig zu halten, das Neſt ſelbſt auszubauen. Da, wo die Gegend buſchreih iſt, wird die ſeichte Vertiefung, welche die Eier aufnehmen ſoll, unter einem Buſche, da, wo es an Gebüſch mangelt, wenigſtens zwiſchen höherem Graſe oder im Getreide, jedenfalls an einem mögli<ſt verſte>ten Orte, angelegt, ſo daß das Neſt immer ſchwer aufzufinden iſt. Viele Arten verwenden einige Reiſerhen und auh wohl Federn zur Ausfkleidung, andere füttern die Mulde gar niht aus. Das Gelege pflegt vielzählig zu ſein. Die Eier ſind verſchieden, aber do<h übereinſtimmend gezeihnet. Viele Hühner legen einfarbige, rein weiße, gräuliche, braungelbliche, bläuliche Eier, andere ſolche, welche auf ebenſo gefärbtem oder rötlihem Grunde entweder mit feinen Pünkt<hen und Tüpfelchen oder mit größeren Fle>en und Punkten von dunkler, oft lebhafter Färbung gezeihnet ſind. Es will ſcheinen, als ob die Hühnermutter durch ihre treue Hingebung der Brut auch die Liebe des Vaters erſeßen wolle; denn es gibt keinen Vogel, der ſih mit größerem Eifer ſeiner Nahkommenſchaft widmet als eine Henne, und das ſchöne Bild der Bibel iſt alſo ein in jeder Hinſicht wohl gewähltes. Die brütende Henne läßt ſih kaum Zeit, ihre Nahrung zu ſuchen, vergißt ihre frühere Scheu und gibt ſi< bei Gefahr ohne Bedenken preis.
Die jungen Hühner verlaſſen das Ei als ſehr bewegungsfähige und verhältni8mäßig begabte Weſen. Sie nehmen vom erſten Tage ihres Lebens an Futter auf, das die Alte ihnen bloßlegt, folgen ihrem Rufe und werden von ihr gehudert, wenn ſie ermüdet ſind oder gegen rauhe Witterung Schuß finden ſollen. Fhr Wachstum geht ungemein raſh vor ſih. Wenige Tage nah dem Ausſchlüpfen erhalten ſie Schwingen, die ſie in den Stand ſeben, zu fliegen, mindeſtens zu flattern; in verhältnismäßig ſehr kurzer Zeit erwachſen auch an anderen Stellen des Leibes Federn, anſtatt der erſten buntfarbigen, immer aber dem Boden entſprechend gefärbte Daunen. Die Schwingen erweiſen ſi bald als ungenügend,