Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5

Fühler. Mundteile, 7

ſo flein ſind, daß ſie von einem ungeübten Auge gänzlich überſehen werden können, über: treffen ſie bei anderen die Körperlänge mehrfach.

- Über die Bedeutung der Fühler ſind die Anſichten im Laufe der Zeiten verſchieden geweſen. Daß die entwielteren irgend einem Sinne dienen und dem Kerfe gewiſſe Wahrnehmungen von außen zuführen, unterliegt feinem Zweifel. Jn den meiſten Fällen dürften ſie, wie ihr deutſcher Name beſagt und worauf das fortwährende Umhertaſten deutet, dem Gefühle dienen, worin ſie aber auh dur< die Taſter und Fußglieder unterſtüßt werden. Doch darin beſteht in vielen Fällen niht ihre einzige Aufgabe. Erichſon, welcher eine große Menge dieſer geheimnisvollen Gebilde mikroſkopiſchen Prüfungen unterwarf, fand in der Regel an gewiſſen Gliedern, beſonders den legten, oder an den blattartigen Erweiterungen dieſer einzelne oder ſiebartig bei einander ſtehende größere oder fleinere Löcher und hinter jedem eine Haut ausgeſpannt und um dieſe einen kurzen Filz dichter Härchen. Ex glaubte in dieſem Baue die Naſe der Wirbeltiere wiedererkennen zu müſſen. Durch neuere Unterſuchungen iſ man von dieſer Deutung nicht zurü>gekommen, erkennt aber nicht ſowohl in jenen Grübchen als vielmehr in kleinen Stäbchen und Zapfen, welche in denſelben ſtehen oder als Kegel frei hervorragen, das eigentlihe Geruhsorgan; denn in jedem der: artigen Gebilde endigt ein feiner Nervfaden, der einer darunter gelegenen Ganglienzelle entſtammt. Was hier der anatomiſche Bau als unzweifelhaftes Sinneswerkzeug verrät, das lehrt die Beobachtung des lebenden Jnſektes in der angegebenen Richtung zu deuten. Denn wer einer weiblichen S<hlupfweſpe zuſieht, wie ſie die im Holze eines alten Baumſtammes verborgene Larve aufſucht, welcher ſie ihre Eier anvertrauen möchte, der wird nach ſeiner menſchlichen Ausdruc{sweiſe erklären, ſie beriehe mit den Spißen der langen Fühler alle Bohrlöcher, bis ſie das richtige aufgefunden hat. Die Männchen vieler Nachtſchmetterlinge ſuchen ſtundenweit die verborgenen Weibchen auf, indem ſie in wildem Fluge ihre langfammſtrahligen Fühler vorſtre>en, und werden ſicher ebenſo dur< den Geruchsſinn auf die rehte Spur geführt, wie ein anderes Jnſekt, welches nah Aas verlangt, um ſeinen Hunger zu ſtillen oder ſeine Eier daran abzulegen.

Daß nicht alle Jnſekten in gleicher Weiſe mit Geruchsfähigkeit begabt ſind, darf als ſicher gelten; ob es ſolche gibt, denen ſie gänzlich abgeht, muß dahingeſtellt bleiben. Die furzen borſtenartigen Fühler einer Cikade oder Libelle könnten die Vermutung nahe legen, daß hier dieſen Anhängen keine ſolche Aufgabe zufalle. Die Frage liegt nahe, wie es mit den anderen Sinnesorganen bei den Jnſekten ausſieht, d. h. mit jenen, die wir ſelbſt beſißen und darum auch allein beurteilen können, mit dem Geſhma>e und mit dem Gehôre. Daß viele Jnſekten ſhme>en, iſ wohl ebenſo ſicher, wie daß ſie riehen; warum ſollte eine Raupe lieber verhungern, als von einer Pflanze freſſen, welche ihr nicht zuſagt? Man hat in der That auch verſchiedenartige Gebilde im Zuſammenhange mit den Mundwerkzeugen aufgefunden, die ihrem Baue nah Sinneswerkzeuge ſind und vielleicht den Geſhmacke dienen. Auch das Gehör geht vielen Jnſekten niht ab; es wird aber in ganz anderer Weiſe vermittelt als bei uns, dur<h Werkzeuge, welche auh niht am Kopfe liegen. Wir wollen auf dieſelben an dieſer Stelle niht eingehen, ſondern bei den ſpringenden Geradflüglern, denen ſie beſonders eigen ſind, darauf zurücfommen.

Die Mundteile nehmen das vordere Kopfende ein und ſollen unter Beihilfe nachſtehender Figuren (S. 8), in welchen durchweg dieſelben Buchſtaben dieſelben Teile bezeichnen, ihrem Weſen nah in möglichſter Kürze näher beſprochen werden. Bei aller Verſchiedenartigfeit in der Ausbildung unterſcheidet man in den beißenden und ſaugenden Mundteilen die beiden Hauptformen, jene dazu befähigt, feſte Nahrung zu zerkleinern, dieſe nur im ſtande, flüſſige Stoffe aufzunehmen, womit niht behauptet werden ſoll, daß die Beißer niht auch Flüſſigkeiten le>en könnten. Abgeſehen von der unpaarigen Oberlippe