Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, page 805

Gerandete Jagdſpinne. Gartenluhsſpinne. Tarantel. 723

Hintere>en doppelt ſo weit auseinander ſtehen wie die vorderen. Ein heller Seitenrand des dunkleren, ſamtartigen Grundes gehört zu der charakteriſtiſchen Zeichnung des Vorder- und Hinterleibes ſämtlicher Gattungsgenofſen.

Die Arten, welche eine ungezahnte Afterklaue, einen ſehr {malen und vorn hoch ab-

gedachten Kopf haben, die Augen in der Art geordnet und eine Körperzeichnung tragen, wie die folgende Abbildung beide vorführt, hat man neuerdings unter dem Gattungsnamen Pardosa zuſammengefaßt. Die verbreitetſte von allen iſt die Gartenluchsſpinne, die Sadſpinne (Pardosa [Lycosa] saccata), welche im Jugendalter zu den kühnen Luſftſchiffern und mit Beginn des nächſten Jahres zu den erſten Gliederfüßern gehört, welche, aus der Wintererſtarrung erwacht, an ſonnigen Stellen zum Vorſchein kommen. Die Paarung muß zeitig erfolgen, denn ſcon in der zweiten Hälfte des Mai, wenn der Winter niht ungewöhnlih lange anhielt, ſieht man die Weibchen mit ihrem etwas plattgedrü>ten Eierſa> am Bauche zwiſchen dürrem Laub umherlaufen. Die ausgeſhlüpften Fungen halten ſih längere Zeit in demſelben auf, kriechen auh auf dem Leibe der Mutter umher. Als ih einſt mehrere dieſer Spinnen in Weingeiſt geworfen hatte, war ih niht wenig erſtaunt, eine große Anzahl junger in der Flaſche zu finden, welche ſi<h im Todeskampf aus dem Eierſa> herausgearbeitet haben mochten. Die in Rede ſtehende Art iſt höchſtens 6,5 mm lang, braungrau von Farbe und hat einen gelblihen Längsfle> auf dem SS Rücken des Vorderleibes, einen {hwar- Æ zen Gabelfle>Œ am Grunde ſowie zwei EE SEILE Reihen ſ{<hwarzer Fle>e auf dem Rücken E Tn E ES E eE des Hinterleibes und bräunlichgelbe, [<warz geringelte Beine. Es gibt mehrere, ſehr ähnliche und ebenſo lebende Arten (Pardosa montana, arenaria und andere), welche ohne umſtändliche Beſchreibung niht leicht unterſchieden werden können und darum von den Schriftſtellern öfters mit obigem Namen belegt worden ſind, ohne ihn in der That zu verdienen. Dieſe Sa>ſpinnen leben an feuchten und tro>enen, ſonnigen Stellen, und ih wage nicht zu entſcheiden, ob man nach dem Aufenthalt einen einigermaßen ſieren Schluß auf die beſtimmte Art ziehen könne, glaube vielmehr, daß ſie alle mehr oder weniger untermiſht vorkommen.

Es dürfte ſ{werli<h über den giftigen Biß irgend einer Spinne mehr Geſchrei erhoben, mehr Unwahres verbreitet worden ſein als über den der Tarantel, einer Spinne, oder rihtiger geſagt, mehrerer zur alten Gattung Lycosa gehörenden Arten. Der Name iſt dem Ftalieniſchen entlehnt, wo man unter Tarantola urſprünglich eine giſtige Spinne (auh Solofizzi genannt) begreift, welche vorzugsweiſe bei Tarent (Taranto) lebt und deren Biß die wunderlihſten Erſcheinungen zugeſchrieben worden ſind. Ulyſſes Aldrovandi, welcher in ſeiner Naturgeſchichte der Inſekten (1602) alles geſammelt hat, was bis dahin auh über die Spinnen geſchrieben worden war, verbreitet ſich ausführlih über die Wirkungen des Tarantelſtiches und die Mittel, ihn zu heilen. Nach ihm gibt es kaum ein menſ<hli<es Gebaren, ſo findiſh und albern es auh ſein möge, wel<hes man nicht der Wirkung dieſes Biſſes zugeſchrieben hätte; denn er ſagt unter anderem von den Geſtochenen, „Tarantulati“: die einen ſingen fortwährend, die anderen lachen, weinen, jammern; die einen verfallen in Schlafſucht, die anderen in Schlafloſigkeit; die meiſten

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