Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

124 Würmer. Vierte Klaſſe: Ringelwürmer; erſte Unterklaſſe: Borſtenwürmer.

Die genannte und andere Arten des Chaetopterus, wel<he im Golf von Neapel vorkommen, zeihnen ſi< dur< ihr Leuhhten aus. Nah Panceris Beobachtungen muß man die Tiere reizen, wenn das Phänomen eintreten ſoll. Dann verbreitet ſich der Leuchtſtoff wolkenartig im Waſſer. Das Tier glänzt in lebhaſtem bläulichen Lichte, und zwar im dunkeln Raume ſo ſtark, daß man die umſtehenden Perſonen erkennen und die Uhr ableſen kann. Der Neapolitaner Naturforſcher, der ſeit Fahren die Leuchterſheinungen der niederen Tiere unermüdlich unterſuchte, hat in Chätopteren, namentlih in Chaetopterus variopedatus, welter ih feine Nöhre aus Sandkörnern zuſammenleimt, gewiſſe Zellen und Drüſen als Erzeuger der leuhtenden Materie nachgewieſen.

Über die Art, wie Chaetopterus pergamentaceus lebt und wie man ſi< ſeiner bemächtigt, ohne Nöhre und Tier zu vexrleßen, verdanken wir Lacaze-Duthiers genaue Angaben. Folgt man an flachen Küſten der Ebbe, ſo trifft man ihn oft auf Wieſen von Seegras (Zostera marina) im Sande mit ſ{hlammigem Unterboden. Beim tiefſten Waſſerſtande der großen Ebben läuſt auh hier das Waſſer ab, und man findet nun zwiſchen den über den Boden hervorragenden, durch Länge und braune Farbe ausgezeihneten Röhren der ſchönen Sabella payonina die wegen ihrer grauen Färbung und Kürze viel ſ{hwerer kfenntlihen Röhrenenden des Chaetopterus. Das Tier verfertigt eine Röhre, welche weit länger iſt als ſein Körper, an beiden Enden offen und u-förmig in den Boden geſenkt. Sie bleibt daher auh während des Zurücktretens des Meeres mit Waſſer gefüllt, und der Wurm kann ununterbrochen ſeine Atembewegungen in ſeiner geräumigen Wohnung fortſeßen. Will man Tier und Röhre ganz und unvexrleßt haben, ſo darf man ſih natürlich nicht auf das Schleppneß oder die Gabel verlaſſen, ſondern muß die Nöÿre frei legen und ausgraben, während ein Gehilfe die beiden Enden feſthält.

Somit können wir, mit abermaliger Umgehung von Familien, welche die Zoologen zwar Kopfkiemer nennen, aber mit der etwas befremdlichen Erklärung, daß ſie eigentlih gar feine Kiemen beſäßen, zu einigen Familien fortſchreiten, welche dieſen Namen endlih verdienen. Jhre Kiemen ſind in Form von Bäumchen oder Fadenbüſcheln am Kopfende befindlich. Jhr weder mit Zähnen noh mit vorſtre>barem Rüſſel verſehener Mund deutet auf eine friedlichere Lebensweiſe als die der meiſten „irrenden“ Rüenkiemer, und wix werden in dieſer Vermutung dadurch beſtärkt, daß ſie in Röhren hauſen, aus welchen ſie nur mit Gewalt ſih entfernen laſſen.

Mit friſch von der Auſternbank losgelöſten Auſtern iſt uns ein unregelmäßiger Fladen von Sand und Sandröhren gebracht worden, eine Kolonie der Hermella alveolata. Die Röhren, aus feinen Sandkörnchen zuſammengekittet, liegen ohne Regel übereinander, nur daß die Mündung einer jeden frei geblieben iſt. Fede iſt unabhängig von der anderen dur ihre Jnwohnerin gebaut worden, dann hat ſi< der Sand auch in die Zwiſchenräume gelegt und iſ dur eine von den Tieren ausgeſchiedene, ihn durchdringende Klebemaſſe ziemlich feſt geworden. Jnfolge der unangenehmen Störung haben ſi< die Tiere in ihr Verſte> zurü>gezogen, und hinter dem Eingang jeder Nöhre ſieht man einen metallglänzenden Deel. Fn ein Gefäß mit Seewaſſer gethan, fühlen ſie bald das Bedürfnis, mit der Außenwelt in Verkehr zu treten, der De>el ſchiebt ſi< über den Eingang hervor, lüftet ſih, und unter ihm treten zwei Büſchel feiner Fäden heraus. Der Kopf iſt ſichtbar geworden, ſ<re>t aber bei der leiſeſten Berührung wieder zurü>. Es hilft nichts, um die Wißbegier zu beſriedigen, muß die Nöhre ganz zerbrochen, das ungebärdig ſih krümmende Tier in ein kleineres Gefäß gebracht werden, wo es ſi bald ziemlich ruhig in ſein Shiſal ergibt.