Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Kleiſter-Eſſigälhen. Pellodera papillosa. 105)

Weſen zu ſehen glaubt; es ſind nur die herumſhwimmenden Hautſkelette. Die Eſſigmutter in den ſogenannten Eſſigbildnern enthält jedoh heute no< alle Entwikelungsſtufen der Eſſigälhen in großer Menge. Fm Kleiſter, welher dur<h Kochen von reinem Stärkemehl bereitet iſt, hat mir die Zucht der Älchen nie gelingen wollen, ein Zuſaß von Leim, überhaupt einer ſti>ſtoffhaltigen Subſtanz, iſt notwendig.“ (S<hneider.) Eine au8gezeihnete Fundgrube für dieſelben ſind die bierdurhtränkten Filzunterſeßer ſ{<mußiger Schänken. Der wiſſenſchaftlihe Name, den dieſes Kleiſter-Eſſigälchen heute führt, iſt Anguillula aceti-glutinis.

Faſt alle übrigen Arten leben in feuchter Erde und faulenden Subſtanzen. Schneider unterhielt jahrelang in Blumentöpfen und irdenen, mit Erde gefüllten Gefäßen Kolonien derſelben, um ihre merkwürdigen Lebensverhältniſſe zu beobachten, die während einer Wanderung ſih abſpinnen. „Legt man in irgend ein Gefäß mit Erde ein Stü faulendes Fleiſch, oder gießt man Blut, Milch oder dergleichen darauf, ſo kann man ſicher ſein, eine der hierher gehörigen Spezies zu erhalten; indem ih die Erde aus den verſchiedenſten Orten entnahm, Schlamm der Gewäſſer, faulendes Holz aus hohlen Bäumen, Garten-, A>ererde 2c., habe ih mir dieſe verſchiedenen Spezies verſchaſft. Um die nötige Feuchtigkeit zu unterhalten, muß man die Erde immer befeuhten oder das Gefäß bede>t halten. Dabei iſt zu berü>ſihtigen, daß man die Fäulnis nicht bis zu einem zu hohen Grade gelangen läßt. Auch ſterben die Tiere, wenn man die Erde mit mehr Waſſer bede>t, als ſie auf:

Larve von Pellodera papillosa, umhüllt von der embryonalen Haut. 400mal vergrößert.

ſaugen kann.“ Jn dieſen Verſuchsſtationen können die Tiere alle drei Altersſtufen dur<hmachen, d. h. der Embryo geht dur< eine Häutung in das Larvenſtadium über, welches fih durch andere Bildung des oft verſchloſſenen Mundes und den Mangel der Fortpflanzungsorgane von der Stufe der Geſchlehtsreife unterſcheidet und in dieſe wiederum mit einer Häutung eintritt. Jn der freien Natur aber, wie geſagt, gehen dieſe Wandlungen während einer Wanderung vor ſi<h. „Überall in der Erde und im Waſſer finden ſich ge[<le<tsloſe Larven dieſer Tiere in großen Mengen zerſtreut, aber ſobald ſi<h in ihrer Nähe ein Fäulnisherd bildet, ſo kriechen ſie, vielleiht durh den Geruch geleitet, danach hin, werden geſhle<tsreif, und die Fungen, welche ſie gebären, entwid>eln ſi<h an Ort und Stelle ebenfalls zu geſhle<tsreifen Tieren. Haben nun geſchlehtsreife Tiere einige Zeit in ſolcher faulenden Subſtanz gelebt, ſo erwacht in ihnen ein Wandertrieb/ der ſie veranlaßt, den Herd der Fäulnis zu verlaſſen und nach allen Richtungen weiter zu kriechen. Dabei gebären ſie Funge, welche ſih der Wanderung ebenfalls anſchließen. Die Dauer dieſer Wanderung auf tro>enem Boden wird dadurh unterſtüßt, daß die Embryonen ſich in Scharen zuſammenfinden und dur ihre eigne und dur die an ihrem Körper haftende Feuchtigkeit ſih gegenſeitig vor Verdunſtung hüten. Auf dieſer Wanderung treten die Embryonen in das Larvenſtadium; ſie werden dabei vor dem Eintritt wohl doppelt jo groß als die, welche bis zum Eintritt in das Larvenſtadium ſih in faulenden Suhſtanzen aufhalten. Die Embryonalhaut löſt ſich zwar ab, aber die Larve verläßt dieſelbe niht, welhe nunmehr eine vollſtändig geſchloſſene Hülle für die Larve bildet. Die Larve tann ſih jedo< mit der Hülle no< ungehindert bewegen und ihre Wanderung fortſetzen;