Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

1814 Würmer. Sechſte Klaſſe: Plattwürmer; erſte Ordnung: Bandwürmer,

hinter dem Echinococcus zurüd>. Es iſt kaum ein Organ des menſchlichen Körpers, das demſelben nicht gelegentlih zum Wohnorte diente. Sogar die Knochen werden bisweilen von ihm heimgeſucht. Aber niht alle dieſe Organe beherbergen unſeren Wurm mit gleicher Häufigkeit. Der Behinococeus hat ebenſo wie die Finne Lieblingsſiße und andere, die ex weniger häufig, vielleiht nur ſelten, aufſucht. Freilich ſind die Lieblingsſize beider ſehr verſchieden. Das Zellgewebe zwiſchen den Muskeln welches die Finne mit beſonderer Vorliebe bewohnt, iſt nur in ſeltenen Fällen der Siß des Echinococcus. Auch im Hirn und namentlih im Auge wird die Finne ungleih häufiger gefunden als der Hülfenwurm, der dafür ſeinerſeits die von der gemeinen Finne meiſt verſhmähten Eingeweide, und vor allen anderen namentlich die Leber, aufſu<ht. Hier erreicht der Hülſenwurm nicht ſelten die Größe eines Kindskopfes. — Wahrſcheinlih iſ der Hund der einzige Träger des Echinococcus-Bandwurmes, der mit ihm wohl über die ganze Erde verbreitet iſt. Auf Jsland, wo der 6.—5. Teil der geſamten Bevölkerung von ihm dahingerafft werden ſoll, iſt er eine furchtbare Plage, ebenſo in gewiſſen Teilen Auſtraliens und bei den Buräten, einer ſibiriſhen Völkerſchaft, faſt ſhmußiger als die Hunde. Aber auh bei uns iſt der Wurm durchaus niht ſelten und wird, charakteriſtiſh genug, bei Mitgliedern von Meßgers- und Hirtenfamilien ſowie bei älteren alleinſtehenden Frauenzimmern, alſo bei Perſonen, welche aus Beruf oder Liebhaberei viel und intim mit Hunden umgehen, am meiſten gefunden. Wie oft hört man niht von Hundefreunden die Äußerung: „Der Hund iſt das reinlichſte Tier“ und „Mein Hund hat keine Bandwürmer“. Nein, — der Hund iſt kein reinliches Tier, und wer ſi< von Hunden le>en läßt, ſhwebt immer in Gefahr, ſi<h mit dem fürhteclichen Echinococcus zu infizieren, denn, verehrte Leſerinnen und Leſer, es ſei zwar gern zugegeben, daß Jhre Hunde nicht die großgliederige, ſi< bald verratende, harmloſe Taenia cucumerina haben, aber deshalb fönnen ſie gar wohl mit der winzigen, ent\eßlih gefährlichen Taenia echinococcns behaftet ſein.

Das Regiſter derjenigen Bandwürmer, deren Leben mit der Exiſtenz unſerer Haustiere und unſeres eignen Leibes verkettet iſt, muß noh dur eine einer anderen Gattung und Familie (der der Grubenköpfe, Bothriocephalidae) angehörige Art, den Menſchen-Gruben kopf oder breiten Bandwurm (Bothriocephalus latus), ver: vollſtändigt werden. Die Grubenköpfe, inſofern ſie ſih von den Tänien ſcheiden, haben einen abgeplatteten Kopf, der jederſeits mit einer länglichen, tiefen Sauggrube verſehen iſt. Die meiſten Arten leben geſchle<tsreif in kaltblütigen Tieren, namentlich in Fiſchen, einzelne in Vögeln und Säugetieren, und die wichtigſte iſt natürlich die den Menſchen heimſuchende. Kein anderer menſchlicher Bandwurm erreicht die Länge des Bothriocephalus latus, näm: lih 5—8 m, mit 3—4000 furzen und breiten Gliedern. Der Kopf iſt keulénförmig, 1 mm lang und /2 mm breit.

Über das Vorkommen des breiten Grubenkopfes bemerkt Leu>art: „Während die großgliederigen Tänien des Menſchen und beſonders die Taenia saginata (der unbewaff nete Bandwurm des Menſchen) nahezu als kosmopolitiſhe Paraſiten bezeichnet werden fönnen, iſt der Verbreitungskreis des Bothriocephalus latus weit enger und ſein Vorfommen ein mehr begrenztes. Außerhalb Europa iſt derſelbe bisher nux an wenigen Drten mit Sicherheit beobachtet worden. Nah Verrill findet er ſi, freilih nur ſelten, in Nordamerika, nah Baelz und Jjima häufig in Japan. Auch in Europa ſind es nur gewiſſe Länder und Gegenden, die von ihm heimgeſu<ht werden. Obenan unter dieſen Lokalitäten ſtehen die Küſtengebiete der Oſtſee, beſonders die mehr öſtlih gelegenen, und die Schweiz, die auch die erſten bekannt gewordenen Fälle von Bothriocephalus lieferte,