Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Entwi>elung der Zweimäuler. . 195

in welcher es geſ<hle<tSreif wird und Eier produziert. Mit dem Kote des definitiven Wirtes gelangen die Eier nah außen ins Waſſer, und der Entwickelungskreis beginnt aufs neue. y

Fn dem oben erwähnten Falle, daß aus den Keimkörnern keine Cexkarien, ſondern wieder Keimſchläuche werden, entwi>elt ſih erſt in dieſen die Cerkarienbrut.

Wir ſehen, um kurz zu rekapitulieren, alſo folgenden Entwickelungsgang: 1) ſ{<hwimmender Embryo: freies Waſſer, 2) ein- oder zweimaliger Keimſchlauch: erſter Zwiſchenwirt, 3) ſ{hwimmende Cerkarie: freies Waſſer, 4) eingetapſeltes junges Zweimaul: zweiter Zwiſchenwirt, 5) unfreiwillig dur<h Gefreſſenwerden des zweiten Zwiſchenwirtes cinge wandertes geſchlehtsreifes Zweimaul: definitiver Wirt.

Der Entwi>elungs8gang kann ſih aber auch vereinfachen, ſo bei dem äußerſt ſeltſamen Leucochloridium paradoxum. Jm Darm gewiſſer Singvögel, beſonders in der Nähe des Waſſers ſih aufhaltender inſektenfreſſender, lebt ein Zwei- 5 maul (Distomum macrostomum), deſſen Eier mit dem Kote nach außen gelangen, unter anderen auh auf Pflanzen am Ufer von Bächen und Tümpeln. Hier halten ſich ſtellenweiſe maſſenhaft die amphibiſhen Bernſteinſchne>en (Succinea putris) auf, welche das Blattparenchym der Uferpflanzen mit ihrer Feilenzunge ſhabend abnagen, dabei aber auh die Eier des Zweimaules mit verſchlingen. Dieſe entwi>eln ſi hier zu einem ſehr ſonderbaren Keim: ſ<hlau<h, der in Geſtalt eines vielfah veräſtelten Geſpinſtes die Eingeweide der Shne>e umgibt und in ſich Keimballen erzeugt, aus denen ſ{<hwanzloſe Cerkarien oder, da dieſer Ausdru> ein offenbarer Widerſpruch iſt, junge geſhle<htsloſe Zweimäuler hervorgehen. Dieſe bleiben niht in den Äſten jenes Geſpinſtes, ſondern treten gruppenweiſe in beſondere Endſhläuche desſelben über, wo ſie, ſchihtenweiſe hintereinander gelagert, eine Art Dopvpelmaul Mistomum echinatum). Patrone, eben das Lencochloridium bilden. Der vor- ® ES dere Abſchnitt dieſer Endſchläuche, welche beſonders oft in die Fühlhörner der Schne>e, welche dadur< unförmlih verdi>t werden, eindringen, ſind bunt gefärbt, grün und weiß gebändert und führen lebhafte ſtoßweiſe Bewegungen aus. Dieſe Bewegungen werden ſ<ließlih ſo ſtark, daß der Fühler plaßt und der End\<lau<, ſi< vom übrigen Keimſhlauch loslöſend, frei wird und ſih in der feuhten Umgebung kriehend bewegt. So ſieht das Leucochloridium einer Jnſcktenlarve ähnlich und erregt natürlih bald die Aufmerkſamkeit der dort der Jagd obliegenden Singvögel, welche die vermeintliche Larve als gute Beute verſchlingen, niht ahnend, daß ſie ſih mit zahlreihen Zweimäulern bei dieſer Gelegenheit infizieren.

Es iſt das einer der wenigen Fälle, wenn nicht der einzige, in dem ein Tier oder eine Geſellſhaft von Tieren provokatoriſch gefärbt iſt, um gefreſſen zu werden. Der Feind wird hier zum Freund!

Von viel hervorragenderem allgemeinen Fntereſſe, wenn auh niht wiſſenſchaftlihem, iſt die Lebensgeſchichte eines anderen Zweimaules, des berüchtigten Leberegels (Distomum hepaticum, Abbildung S. 197). Ganz beträhtlih iſt der Schade, welchen dieſer Schmarogzer der Viehzucht und damit der geſamten Menſchheit zugefügt hat. Laſſen wir den größten Kenner des tieriſhen Schmaroßertums und zugleih den Entde>er der

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