Das Nordlicht. Bd. 1-2

etzt fühle ich der Schönheit Flügelschläge, Im Norden ist die Lilie Frankreichs aufgegangen, Die Christenliebe wird in Marmorblöcken rege!

Hold trägt den Fels nach Offenbarungen Verlangen! Schon klimmt ein Frühjahr steil empor an Kathedralen, Und über Türmen seh ich Schönheitsgipfel prangen.

Das Leben läutert sich aus unempfundnen Qualen (Denn nichts zu fühlen ist der Fluch der schweren Steine) Zu Formen, die lebendig ihrer Nacht entstrahlen.

So trachten tausend Sonngeburten, im Vereine, Als Pfeilerbündel langsam sich emporzurecken, Denn alles Irdische verneint das Steile, Reine!

Jetzt scheinen Osterglocken allerliebste Schnecken, Verkrümmte Lurche, Olme, Echsen, stumpfe Würmer, Die reinste Teufelsbrut, im Steine zu erwecken.

Fürwahr, schon ruft, mit ernstem Glockenschlag, der Türmer

Ein ganzes Schlummerreich empor ans Licht, ins Leben,

Und weist: o folgt dem Menschen, euerm Sonnenstürmer!

Ihr Wesen alle, laßt euch froh zum Licht erheben, Ihr Schwalben, sehnt euch her nach stolzen Menschenwerken, Ein Taubenschwarm soll immerdar dem Bau entschweben! Ermüdet mag der Wandrer einen Dom bemerken,

Die Schönheit ihm fast engelsgleich entgegenfliegen, Des Münsters Himmelssehnsucht jeden Pilger stärken!

Oft mögen Wünsche domwärts in der Luft sich wiegen, Und sollte unterwegs die Büßer Furcht beschleichen, So könne Schönheit alle Zweifel gleich besiegen!

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