Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Einleitung

Man nennt Eckhart den großen deutschen Mystiker. Über das, was Mystik sei, besteht im allgemeinen Einhelligkeit. Wenn man auch andererseits immer mehr festzustellen glaubt, Eckhart sei ebensosehr Scholastiker, so meint man doch mit dem Begriff der Mystik das Kernproblem seiner Theologie zu bezeichnen. Demgegenüber muß mit aller Schärfe betont werden, daß Eckhart weder das Eine noch das Andere ist: er ist kein Scolastiker, weil er die Scholastik vernichtet; er ist kein Mystiker, weil er die Mystik überwindet dadurch, daß er sie abklärt zu einer systematischen Theologie. Nicht von Einzelerlebnissen der unio mystica berichtet er uns, von ekstatishen Versenkungen der Seele in Gott, die der einzelne bestimmte Mensch zu bestimmten Zeiten erfährt und erfahren hat. Das allein Wesentliche sind ihm nicht die zufälligen individuellen Erfahrungen, sondern die Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit einer religiösen Erfahrung überhaupt. Daß Eckhart diese abstrakte religiöse Erfahrung überhaupt mit der Glut und Inbrunst eines individuellen Erlebnisses in seiner Predigt erörtert, das ist das mystische Element seiner Theologie, die Erlebnisursprünglichkeit und Lebendigkeit gegenüber einer erstarrten Schulwissenschaft. Daß er nicht das Psychologische, sondern allein den theologischen Gehalt des religiösen Erlebens, das „Logische“ daran, betont, daß er den psychologisch fundierten Begriff der unio, der Vereinigung, durch den rein logischen Begriff der polaren Einheit ersetzt und abklärt. führt ihn grundsätzlih über die Mystik hinaus zu einer exakten Theologie. Aber seine Theologie ist etwas grundsätzlich anderes als die traditionell scholastische.

Eckhart ist kein Scholastiker. Die Grundwissenschaft der Scholastik ist die Metaphysik mit ihren Teildisziplinen der Ontologie und der Psychologie. Die Grundwissenschaft Eckharts ist die Logik: aber Logik in einem grundsätzlich anderen Sinn als die Scholastik ihn verstand. Das muß zur Vermeidung jeden Mißverständnisses bezüglich der Grundeinstellung der hier versuchten Eckhartinterpretation aufs schärfste betont werden. Edcharts Logik ist keine Abstraktions- und Gattungslogik aristotelisher Färbung. Sie ist schöpferische Logik des logos‘) im platonischen Sinn. Sie ist ferner nicht spezifischen Wissenschaftscharakters, sondern von totaler Weite als Einheitsbegriff der Grundgesetzlihkeit aller Wissenschaftlihkeit überhaupt. Sie entspricht daher nicht der aristotelischen Logik, sondern vielmehr

) Zum Begriff des logos cf. III 545,12; Den. 551, 19; 579, 18; Sp. 30,28.

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