Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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178 Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17. SS

Ballonaufnahme aus dem flandriſchen Kriegsgebieft,

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Deutſchen ſind, wie mix ſcheint, weniger von wahrer Teilnahme und Menſchlichkeit eingegeben als von einer falſhen Gefühlsduſelei, in der ſih die vollfommenſte Unkenntnis der Geſchichte der beiden Nationen verrät und der ganzen Art, wie Deutſchland ſeit Jahrhunderten von Frankreih beunruhigt und drangſaliert wurde. England haft nur eine

ſhwache Erinnerung an die vielen harten Lehren bewahrt, | die ſi<h für Deutſchland aus dem Verhalten Frankreichs

ihm gegenüber ſeit vier Jahrhunderten ergeben. Vier=hundert Jahre lang hat keine Nation einen ſo bösartigen Nachbarn gehabt, wie es für Deutſchland die ſrechen, raubsſüchtigen, unexrſättlihen, unverſöhnlihen und ſtets zum Angriſf bereiten Franzoſen waren. Jn dieſer ganzen Zeit haben die Deutſchen die franzöſiſhen Beſchimpfungen erfragen, aber heute müßten ſie nah meiner Meinung närriſ< ſein, wenn ſie niht die Gelegenheit benußen würden, ſth eine Grenze zu ſichern, die ihnen den Frieden verbürgt. Soviel ih weiß, gibt es kein Geſeß in der Welt, auf Grund deſſen die Franzoſen das von ihnen geſtohlene Gut behalten dürften, nahdem die beſtohlenen Beſißer einmal die Hand auf den Dieb gelegt haben .…. Möge die edle, friedliche, aufgeklärte und ernſthafte deutſhe Nation fih einigen und die Königin des Kontinents an der Stelle des leihtſinnigen, ehrgeizigen, ſtreitſüchtigen Und überempfindlihen Fran reis werden. Das iſt das größte Ereignis der Gegenwart, deſſen Verwirklichung jedermann wünſchen muß.“ — Das

ſind Worte, an die ſih die engliſche Zeitung wohl ge1ade

während des Weltkrieges am wenigſten exinnern laſſen wollte

An der deutſhen Weſtfront in Flandern (ſiehe obenſtehendes N dauerte dex Artilleriekampf no< immek an und erreihte ſhließliG Formen, die im deutſhen Tagesberiht einmal als „das Höhſtmaß an Maſſenwirkumg în dieſem Kriege“ bezeichnet wurden. Jnfolge der kräftigen Gegenwirkung der Deutſchen hatten die Engländer ihre ÎInfanterie noh zurü>halten müſſen und waren an einzelnen Stellen ſogar gezwungen, längere Feuerpauſen eintreten zu laſſen, um ihre niedergerungenen Batterien dur< neue zu erxſezen. Gleichzeitig häuften ſi<h die Erfundungsuntex-

‘nehmungen. Aber die feindlihen Erkunder wurden von den

deutſchen Soldaten regelmäßig blutig abgewieſen. Die deutſchen Stellungen waren ſreili< in beträhtliher Tiefe vielfah

zuſammenhanglos geworden. Deshalb hatten ſich die Ver-

teidigerindenvon feindlichen großenGranaten aufgeworfenen

Erdtrichtern feſtgeſeßt, die ihnen recht gute De>ung boten.

Endlich, am 31. Juli, bra<h der Sturm dex engliſchen

Infanterie los. Jn einer Breite von 25 Kilometern wälzte ſih das feindlihe Maſſenheer frühmorgens um ſieben Uhr gegen die deutſhen Trichter=. ſtellungen vor. Nicht nux Engländer, ſondern au< Franzoſen nahmen an dem Hauptſturm teil. Die Franzoſen ſollten urſprünglich erſt in zweiter Linie ZUL Ausnußung der engliſhen Erfolge eingeſeßt Werden, jedoG erheiſhten die großen Verluſte, die die Feinde ſhon în dem vorausgegangenen Artilleriekampf erlitten hatten, und die unzweifel= haft ſehr widerſtandsfähig gebliebene deutſhe BVerteidigungsfront eine Änderung dieſes Planes. Von Noordſchoote an der Yſer bis in die Nähe von Warne=ton an der Lys (ſiehe die Karte Seite 65, wie au< die Vogelſhaukarten in Band T1, Seite 37 und 75) rüdten die Feinde an; donnernd polterten die Tanke und anderen Panzerwagen, fortwährend feuernd, den Truppen voran, zahlreihe Flieger untexrſtühten den Jnfanterieangriff, und Reitergeſhwader ſtanden hinter den Sturmbataillonen zum Einhauen bereit. Aus den dünnen, zuſammenhangloſen deutſchen Linien ſ<lug den Angreifern \<hwerſtes Abwehrfeuer entgegen, in das auh die deutſche Artillerie machtvoll eingriff. Zu Tauſenden wurden die feindlihen Kämpfer hingemäht; die rieſige, den Verteidigern vielſa<h überlegene Maſſe der Gegner erreihte aber do< bald die deutſchen Linien, über die ſie no< weit hinaus vorprallte. Nun entwidelten [ih auf der ganzen Front hißige Nahkämpfe, denn die Deutſhen dachten niht daran, vor der Übermacht zu weichen, Und waren beſtrebt, zu verhindern, daß die Feinde zu weit in den deutſchen Verteidigungsgürtel, aus dem die Reſerven den vorderen Linien zuſloſſen, eindrangen. Denn au hier hatte es der Feind, wie an der Aisne, mit einer Reihe von Verteidigungſyſtemen zu tun, die von ſeinem [{<hweren Artilleriefeuer wohl angebrochen, aber niht, wie die vorderen Stellumgen, zer=mürbt waren. Wenn die Feinde auf weiten Abſ<hnitten

dank ihrer Übermacht vorwärts kamen, entwidelten die

ibex das ganze weite Gebiet verſtreuten, mit Handgranaten=werfern Und Maſchinengewehren beſeßten Verteidigungs=inſeln der Deutſchen thre ganze Furchtbarkeit; dann räumte das Maſchinengewehrfeuer ringsum entſeßlih unter den Angreifern auf. Aber die Feinde hatten Maſſen eingeſezt wie niemals zuvor während des Krieges. Deshalb vermochten ſie, thre Gegner um zwei bis drei Kilometex, zum Teil auh etwas weiter, zurüGzudrängen. Sie braten eine ganze Reihe der in der vorderen deutſhen Linie gelegenen Dorfruinen, wie Hooge, Pilkem, Bixſchoote, Steenſtraate (ſiehe die Karte in Band IT, Seite 434) in

ihren Beſiß und glaubten ſih diesmal ihrem Ziele näher

als je. :

Da ſetzten die vielfah vorrü&enden deutſchen Reſerven (ſiehe die Kunſtbeilage) zum Gegenſtoß an. Es gelang ihnen, den engliſh-franzöſiſhen Anſturm aufzuhalten und die feindlihen Diviſionen wieder auf das Trichterſeld zurü=

Zuwexrfen, über das ſie [ih vorgearbeitet hatten. Nur

e und nordweſtlih ‘von Ypern hielten die Feinde ihren Bodengewinn feſt. Eine dex blutigſten Kampſſtätten aller Fronten, Bixſchoote, blieb in der Hand der Franzoſen, die über den Ort hinaus an der Straße nah Langemar> vorgekommen Waren. —

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Die Engländer und Franzoſen ſehten ihre Hoffnungen

| auf den nächſten Tag. Ihre Geſchüße ſpien auf dex ganzen

Angriffsfront zwiſhen Langemar> und Lys ein neues Vexrnictungsfeuer auf die deutſchen Linien aus. Aber nun zeigte ſi, wie ſtark die deutſhe Artillerie geblieben war, die den feindlichen Batterien kräftig antwortete Und Die Gräben der Gegnex unter Feuer nahm. Erſt abends gegen

‘halb ſieben Uhr brachen die feindlihen Sturmmaſſen in

ſtrömendem Regen wieder vor. Es waren nu Engländer, die mit aller Kraft hauptſähli< um den Beſiz von Lange=mar> rangen. Dex Tag )<loÿ mit einer neuen großen Entz täuſhung für die Stürmenden,. denen an feiner Stelle Ex=-

folg beſhieden war Sie wurden übex den Steenbah in

ihre Ausgangſtellungen zurü>geworfen. Bei St. Julien famen die feindlihen Sturmwellen niht einmal mehr dur< das deutſhe Abwehr}euer. Bei Frezenberg Und Weſthoek hatten die Engländer Anfangserfolge, fonnten ſie aber niht