Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

238 : Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Flieger über Rußland. Von einem deutſhen Fliegeroffizier. (Hierzu die Bilder Seite 288 und 239.)

Ein Flugplatz inmitten ruſſiſher Einöde, dazu grauer Himmel. * Weg und Steg grundlos, ein Rieſenſhlammeer, ſo iſt meine Umgebung. —

Für uns Flieger waren ruhigere Tage getommen, denn es regnete wie mit Gießfannen, und unſere großen Vögel ſtanden geborgen in ihren Hallen zu furzer Raſt.

Es gibt in Rußland Gegenden, die auh bei \<önſtem Sonnenſchein öde ſind, die aber bei Regenwetter troſtlos wirken. So war es auh bei uns. Flade Felder, überſät mit Steinen, dazwiſchen ab und zu ein kleines Gehölz, dann

ein ſ<mußiger Teich und dann wieder Felder, Wieſen bis

ins Unendliche. :

Der Wind trieb die <hweren Regentropfen gegen die Fenſter unſeres Hauſes, ſie raſſelten wie fernes Maſchinengewehrfeuer, man fröſtelte, wenn ein neuer Schauer fam, und ſreute ſih, daß man ein \hüßendes Dach über dem Haupte hatte, und ſpürte wohlig die Wärme, die von dem fniſternden Kaminfeuer ausging. Tief drin in Rußlands Ret lag unſer Flugplaß. Hunderte von Kilometern hatte der unaufhaltſame Vormarſch unſerer prähtigen Truppen

Dieſelbe Feſtung zwei Tage ſpäter.

Die Ruſſen haben die Stadt verlaſſen ; einzelne Stadtteile ſind von ihuen in Brand geſtect worden. Die Brücken ſind, wie das Bild deutli zeigt, geſprengt. — E E

Die Feſtung Jwangorod am 3, Auguſt 1915, als ſie ſich no< in ruſſiſchem Beſiß befand.

den Kampf hineingetragen _in das Land des Feindes, bis man ſ{ließli<h haltmahte und ſi eingrub, eingrub bis an Den E Für uns Flieger kamen ruhigere Zeiten. Während bis dahin faſt jeder Tag ein neues Vild brachte, lagen wir nun feſt an einer Stelle. Das Neſt fürunſere braven Stahlvögel wurde ausgebäut und neue Aufgaben traten an uns heran. UnſerHauptaugenmerk war auf die feindli<he Stellung gerichtet; tagtäglih wurde fleißig photographiert, jeder Graben, jede Stellung feſtgelegt. Bis weit hinter die Front desGegners führten uns die Aufklärungsflüge, die der Truppe Kunde brachten von dem Verkehr hinter den Linien des Feindes, in ſeinen Etappenorten, von den Stel= lungen ſeiner Batterien und Deda mE Der Flieger in Rußland hat. es niht leiht, denn Das Gelände iſt für das Zure <htfinden ſo ungeeignet wie mögli.

| Weite, öde Stre>en ohne Anhaltspunkte, ein Gewirr \[<le <ter Straßen, die irgendwo verlaufen, wenig große Slädte

und Eiſenbahnen, kurzum, alles Umſtände, die die Orientierung erſhweren und ein aufmerkſames und geübtes Auge

verlangen, das ſi dort zure<tfindet. Wie der Jäger beim

Spüren des edlen Wildes jeden Fährteneindru> genau

beobachtet, ſo muß des Beobachters Auge jeden Gelände-

punkt, der irgendwie Anhalt gibt, in ſi< aufnehmen. Im Bewegungskriege war es niht \{<hwer, den Weg des

_feindlihen RüGuges feſtzuſtellen. Brennende Skädte und

Dörfer zeigten mit ungeheuren Bränden, deren Rauhwolken bis hinauf in unſere Höhen zogen, ſeine Spuren. Es war ein grauſig \<höner Anbli>, wenn man tief unter ſi die blutroten Flammen aus den Rauchwolken hervor=

Züngeln ſah. Jn ſeiner erhabenen Höhe hört man nihts

von dem Brechen dex Balken und dem Jammer der Menſchen, denen die rüdſihtsloſe eigene Heerführung die leßte Habe, das eigene Heim in Flammen ‘aufgehen ließ.

Man muß ſcharf aufpaſſen, wenn man weit hinter der

feindlihen Front ſeinen Weg nimmt, denn ein kleiner Jrr-

tum in dex Ortsbeſtimmung, und man erreicht den eigenen Flugplaß niht mehr. Doch das Auge gewöhnt ſih an die : | Umgebung, und bald fühlt : man ſi vertraut in den zugewieſenen Abſchnitten, kennt jeden Weg, jede Walde>e Und weiß, wo der Feind ſte>. __ Dex Ruſſe liebt die weißen deutſhen Flugzeuge niht, denn- nichts entgeht ihnen, und darum ſpart èêx beî ſeinen Ballonabwehrkanonen Feine Munition, wenn ſie ſeine Stellungen überfliegen. Aber ex kann ſie niht aufhalten. Unbekümmert ziehen ſte ihren Weg, tragen Tod und Verderben mit ihren Bomben in ſeine Truppenlager, ſtören ſeinen Bahn= vertehr, ſeine rüdwärtige Verbindung und nehmen ihm ſeine Ruhe. Man ſpürt ordentlih die Nerven des Gegners, wenn man ſeine Stel= lungen überflogen hat. Das ganze Bild verändert ſi. : Alles flüchtet und verbirgt ſich. À | Ganze Wagenreihen biegen _von ihren Wegen, ſuchen Fliegerde>ung, Züge haltcn,