Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17., page 356

die Petroleumlampe, und ſie

- Dottor, aber ih hörte, daß Sie

SS Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Dex Stahbsarzt nahm den nähtlihen Gaſt bei beiden Händen und bli>te ihm zärtli<h in die Augen. Er hing ja an dem zwölf Jahre jüngeren Bruder faſt wie ein Vater, hatte er doch in der Tat an dem früh Verwaiſten au< die

Stelle eines ſolchen vertreten müſſen, bis dann mit Kriegs- | ausbrut der no< niht einmal Siebzehnjährige freiwillig Zu den Waffen geeilt war. „Biſt du denn niht mehr in deiner.

alten Stellung drunten an der Aisne?

„Seit vorgeſtern niht mehr. Unſer Regiment iſt verlegt worden, in euren Abſchnitt, und da habe ih die Gelegenheit benußt, dir guten Tag zu ſagen. Mein Hauptmann hat

mit auf vierundzwanzig Stunden beurlaubt. Länger ging's

nicht, denn wir werden hier glei< eïingeſeßt. Es ſcheint, daß der Feind hier oben etwas Beſonderes vorhat. Nun, die Hauptſache iſt, daß wir uns einmal wiederſehen!“

Seit Ausbruch des Krieges, ſeit vollen aht Monaten, hatten ſich die Brüder niht mehr zu Geſicht bekommen UnD auc nur ſelten dur< Briefe über die Heimat voneinander gehört. So war denn die Freude des Stabsarztes Wohl Zu verſtehen. Ex zog den jungen i Bruder mit ſi<h hinauf in ſein Zimmer, das im exſten Sto> gelegen war. Dort entzündete er

jekten ſih nieder. Kurt mußte aus} ührlih berihten, wie es ihm îm Felde ergangen war. Sie ſaßen no< im eifrigen Geſprä, als es leiſe an die Zimmertür Üopfte. Die Frau des Hauſes, Madame Dupont, trat

ein. „Entſchuldigen Sie, Herr

Beſuch bekamen, und dachte mix glei, daß es wohl Jhr Bruder fein müßte, von dem Sie ſhon ſo manes Mal geſprochen haben. J< wollte nux fragen, ob ih Jhren Beſuch vielleiht mit einer Taſſe warmen Kafſees erz friſchen darf.“

Dieſe Auſmerkſamkeit der Quartierwirtin, der Landesfein=din, zu nähtlicher Stunde war in der Tat außergewöhnli<. So erhoben ſi< denn die beiden Brüder, und der Stabsarzt ſtellte den jungen Fähnrih vor.

Madame Dupont war aufs höchſte erſtaunt, als ſie nun beim Scheine der Lampe den Gaſt genauer muſterte: Anzug und Stiefel fauſtdi> mit Lehm aus dem Schützengraben behängt. Sie hatte ſih den angehenden jungen Offizier wohl etwas anders vorgeſtellt. Aber ſchnell wih die Überraſhung in ihrem Antliß dem Ausdru>

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warmherziger Rührung, als ſie die ſ<hmale, faſt no<h knabenhafte Geſtalt und das jugendliche Antliß vor ſih ſah. Mit

tiefem Mitleid kam es von ihren Lippen: „Méin Gott, ein Kind noh und ſhon im Schüßengraben — dieſer entſeßliche Krieg!“ — Dann aber ſtieg mütterlihe Sorge in ihr auf. „JI eile nah unten und bereite den Kaffee — ſ<nell, ſchnell — in wenigen Minuten wird es ſo weit ſein. Das E mB gleih frohen. Jh bitte dann die Herren, zu ommen!

Die Brüdex blieben no< ein paar Minuten in dem

Zimmer.

„Das iſt ja eine unerhofſte, liebenswürdige Aufnahme, “ ſagte Kurk verwundert.

„Ja, freili<h — und do< auh wieder niht, wenn man, wie ih, das gute Herz Frau Duponts ſchon des öfteren kennen gelernt hat. Die Frau iſt wirkli<h eine Seele von Menſch.“

„Werx ſind denn deine Quartierwirte eigentlih?“

„Herr Dupont iſt der Direktor der hieſigen Gasanſtalt. Er ſelber iſt allerdings weniger angenehm — ein cichtiger Vollblutfranzoſe — geſchmeidig, liebenswürdig,

oabei aber do< von einer ironiſhen Überhebung und |

K, u, $. Feldmar]challeutnant Baron v. Zeitler.

ſchnellem Spott. Na, aber wir kommen niht übermäßig viel mit ihm in Berührung. Ex iſt nämlich herzleidend umd lebt ſhon darum ſehr zurü>gezogen, ſiht faſt den ganzen Tag droben in ſeinem kleinen Laboratorium, wenn ex niht einen Gang in die Stadt maht. Jn ſeiner Gasanſtalt hat er jet wohl niht gerade übermäßig viel zu umf „Iſt das die ganze Familie?“ E „Nein, da iſt no< eine Tochter, Jrene — ſogar eine ſehr bemertenswerte Erſcheinung. Nun, du wirſt ja morgen vielleicht Gelegenheit haben, ſie not ſelber kennen zu Ternen. Abex komm, daß Frau Dupont mit ihrem Kaffee niht auf uns zu warten braut.“ : S e Sie waren faum unten ins Eßzimmer gekommen, ſo trat au ſhon die Frau des Hauſes ein und hinter ihr ein junges Mädchen, das ihr beim Auftragen des Kaffees half. Der Stabsarzt ſtellte der Tochter des Hauſes, die es ſi< alſo gleihfalls niht hatte nehmen laſſen, den Gaſt zu bewirten, den jüngeren Bruder vor. Dieſer war ganz betroffen, als ex nun im Lihtſchein Jrene gegenübertrat, die ihm die Hand _— mit einigen freundlihen Worten reihte. Es war dieſelbe gewinnende Liebenswürdigkeit wie bei dex Muttex, aber dazu no< eine « Stimme — weih und Éingend wie Muſik — und dazu dieſes _Antliz! Dex junge Fähnrih _ konnte ſi<h niht beſinnen, jez mals eine ſo feine Schönheit geſehen zu haben, ſole zarten | Farben, und namentli< dieſe Augen, von einem Glanz — es ward ihm jedesmal gariz warm,

Da wurde dex ſonſt ſo Lebhaſte ſhweigſam, lehnte ſih in ſeinen Seſſel zurü> und überließ die Unterhaltung dem Bruder und den Damen; nur die Augen hingen unverwandt an dem ſhönen Mädchen, das ihm gegenüber, etwas im HSHalbdämsmex, ſaß. - E

Das Geſpräch drehte ſih- um den Krieg. Es war immer dasſelbe, wenn dieſe Dinge hier im Lande berührt wurden. Die Muttex klagte: „O, dieſer Krieg _— wel<hes Unglü> für Sie und uns! Unſere Vökkerx, glauben Sie es mix, haben dieſen Krieg nie gewollt! Es ſind nurx die Machthaber, die Ehrgeizigen!“ Ia, auſ Jhrer Seite, Madame, aber niht bei uns! Jn Deutſchland hat kein Menſch an den Krieg gedaht. Sie und Ihre Verbündeten haben ihn E / uns aufgezwungen.“ Und eifrig bemühte ſi<h der Stabsarzt, wie ſv man<hmal ſchon, ſeinen Hörerinnen dieſe Meinung beizubringen. Die Mutter hörte ihm auch geduldig zu, und nun ſagte ſie mit einem ſtillen Niem: „Nun ja, mag ſein, die Mehrzahl bei Jhnen mag wohl denken wie Sie.“ E

Doch da beugte ſih die Tochter plöulih aus ihrem Seſſel mit ‘einer lebhaften Bewegung vor. : :

„O, Mama — wie kannſt du das ſagen! Vergißt du denn ganz die Militärpartei in Deutſchland 1“ Und ſie begann mit ſteigender Lebendigkeit den Redekampf gegen den Stabsarzt aufzunehmen. Die Worte ſprudelten ihr nur ſo vom Munde, wie ſie die Sache ihres Volkes verteidigte.

Der junge Fähnrich war exſtaunt. Dieſe Leidenſchaftlichkeit bei dem vorhin ſo ſtillen Mädchen mit den träumeriſhen Augen, die in eine ferne, unirdiſhe Welt zu bli>en ſchienen! Ganz betroffen hörte ex ſie an, und als ſie geendet, ſagte er: „Das hätte ich nie von Ihnen gedacht — Sie ſind ja eine begeiſterte Patriotin,“ faſt hätte er „fanatiſch“ geſagt.

„Ich glaube, für Jhr Vaterland wären Sie bereit, alles zu

opfern — auh das Leben, wenn es ſein müßte.“ „Zweifeln Sie etwa daran?“ Ein aufflammender Bli> traf ihn. Dann aber richteten ſich ihre Augen vor ſi hin,

wenn ihre Bli>e ihn berührten.