Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Yegdrasil, (welche mit dem Wipfel nach unten wächst, mit Wurzeln aber wurzelt im Reich der Götter)... dieses Alles oifenbart letzte Urnähe außer- menschlicher Lebensgewalt.

Eines der schönsten Gleichnisse ist die Auffassung des’

Allvaters Odin unter dem Bilde des alldurchwaltenden Odems, (Vielleicht ist Odin das indische ätman?). Nicht minder schön: die Deutung des Regenbogens, bald als der Brücke zum Götterland, bald als des Verlobungsringes des Frühlingsgottes Baldur mit Nanna, der Frühlingsbraut. —

Der ewige Kampf von Tag und Nacht ist wundersam verSinnlicht in folgendem Mytos: Heimdal der helle Gott der Frühe und Loki der iinstere Gott des Unterganges hadern mit einander um den Brising, das Kleinod, welches die Göttin Iduna am Busen trägt. Gemeint damit ist der hellste Stern des

Himmels: die Venus, welche abends am Westhimmel sichtbar -

wird als Abendstern, dann mehrere Stunden unsichtbar bleibt und gegen Morgen wiederauftaucht als Morgenstern im Osten. — Der Name Iduna bedeutet: Verjüngung. Die Göttin hütet den Hain mit den goldenen Äpfeln, davon die Götter täglich essen, um ewige Jugend zu bewahren. Als Iduna entführt wird von dem adlergestaltigem Sturmriesen Thiassi, da droht die Götterdämmerung. Alles Leben ergraut. Aber Loki verwandelt Iduna in eine Nuß, die er den Göttern zurückbringt. In dieser Nuß liegt, wie im Samenkorn, Wald und Welt verjüngt und neu. — —

Endlich sei noch erwähnt die gleich Urgranit gewaltige Deutung des Nordlichtes. Das Naturgefühl frühester Vorzeit sah in ihm das Ausstrahlen der magnetischen Erdkraft. Die zitternde Flamme die vom Horizont zum Zenithe emporschießt, erinnert an bittend erhobene Hände. Die von den Eisriesen, den Jöten winterlich geflangengehaltene Erdgöttin Gerda, die Brunhild der Sage, das Dornröschen des Märchens, streckt sehnsüchtig ihre weißen Arme empor. Liebesehnend ruft sie nach dem Erlöser, nach dem sommerlichem Sonnengott, -der sich von Island abgewandt hat und nun verweilt im sonnigen Süden. Die zahllos flimmernden farbigen Lichte des Nordlichts deutet der Mytos als die Farben und Formen von Blumen, Blättern und Schmetterlingen. Das sind die Keime der Erdkinder, die unruhig im Schoße der geknebelten Göttin auf Befreiung harren. Neu zum Licht werden sie geboren, wenn Baldur zurückekommt, mit dem Schwerte des Sonnenstrahls die Geliebte aus dem Eise befreit und ihre Kinder wachküßt. Die

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dem