Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Erde, ohne zu berücksichtigen, daß diese einander fremden und

jenseits ihrer Wirtschaftswünsche sich nicht mehr verstehenden Menschen, nicht bloße Hirne und Geister sind, vielmehr von sanzanderen Mächten gelenkt werden als von den Mächten vernünftigen Menschheitswillens. -

Das geht so lange es geht. Heute besteht noch zum Glücke Amerikas eine nie abreißende Zuwanderung aus Ländern mit altausgeprägter Volkheit, welche sich noch. nicht im Wirtschaiftlich-Politischem erschöpite.

Von den in der Stadt New-York und ihren Vorstädten lebenden sechs Millionen, (wozu noch täglich zwei Millionen Fremde konmen), sind eine Million Russen (also mehr als in Warschau wohnen), fast eine Million Italiener, (mehr als Neapel bewohnen), 600 000 Österreicher, 600 000 Deutsche; und kaum 152 Millionen geborene Amerikaner. Alle diese Zuwanderermassen, zumal aus dem an Volks- und Landschaftseigenart morgendlichem Deutschland, bringen noch mit sich ihre alten Bräuche, Trachten, Feste und Sprachen. Laßt aber erst einmal ganz Nordamerika eine einzige Nutzsteppe geworden sein, bewohnt von vereinheitlichten amerikanischen Bürgern und —: die Natur- und Seelenlosigkeit allverstaatenden, allvernutzenden Luftmenschentums wird sich offenbaren.

Freilich!- Das riesige Land wird wohl immer überzogen sein von einem Netze der verschiedensten Sekten, Meinungen und Pfaffenschaften. Aber im grunde beten alle früh und spät das selbe uralte Gebet, welches schon Columbus betete, als er das Land betrat: ‚Lieber Gott, lasse mich in Deiner Barmherzigkeit die große Goldmine finden‘.

Damit unserm Volke gelängen Goethe, Beethoven, Dürer, dazı mußten beitragen die stummen Träume zahlloser unbekannt vorübergebluteter Geschlechter. Dann, nach. Jahrhunderten, entstieg als glückliches Ereignis der deutschen Landschaft ein Genius, darin die Not und die Sehnsucht all unsrer Seelen Gestalt ward, Musik oder Begriff.

Die Betriebs- und Fortschrittsmenscheit schlägt nur Luftwurzeln im Geist. Sie erzeugt die großen Ausmünzer der Seele: die berühmten Schriftsteller, Literaten, Artisten, Virtuosen; alle diese Vertreter (o ja Ver-treter!) der ‚Kultur‘.

Wo immer große Menschen auf Erden lebten, da empfanden sie ihren Geist als-schwere Sündenlast und Ihre Genialität als eine Tragik.