Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Menschheit unheimlich sind. Wie kann die Kaukasierwelt gegen diese drohende Gewalt sich umzirken? Durch Worte! Sprache! Begriffe! Durch den großen Tabu-Zauber, welcher von der Fortschrittsmenschheit ferne hält die Dämonen des Zweifels. Vor -Geiilde, die zu meiden sind, pilanzen wir Wortvogelscheuchen. Wir entgegnen dem Yaschnavalkya keck: Letargie-Passivität; dem Buddha: pessimistisch_ destruktiv; dem Koniutse: Intellektualismus-Rationalismus: dem Laotse: kontemplativ-steril. Kurz die Lehrbücher und Schulmeister des Westens halten für Alles was nicht nihren Kram paßt, Worte bereit, wichtigtuerische, geschwollene, _ griechisch-lateinische Fremdworte Dank dieser formalistischen Schamanenkunst ‚überwinden‘ wir dann ‚Standpunkte‘ und „ringen uns (um im Rackerlatein deutscher Universitätsphilosophie zu reden) durch zu einer wirklich harmonischen, die Seele des Menschen befriedigenden Weltanschauung“. . Es ist möglich, daß unsere Urteile richtig sind, aber was kommt darauf an, daß ein Urteil richtig ist? Nicht auf die Richtigkeit unsres Urteils kommt es an, sondern darauf? kommt es an, daß wir ein Recht haben zu dieser Richtigkeit.

Unterirdisch aber : nagt ein dunkles Geheimniß, von welchem niemand gerne spricht.

Nur in den allerheimlichsten Stunden eingesteht sich hie und da einmal ein ganz Ehrlicher dieses dunkle Geheinmiß. Es ist schwer davon zu Koden, Aber ich will versuchen, die Sachlage anzudeuten.

Die Welthaltung und Lebensanschauung Europas entquillt aus Europas letzter Notwendigkeit. Aber sie entspricht nicht Europas letzter Erkenntniß. Eben darum trägt die letzte Erkenntniß für den europäischen Menschen das Antlitz jener Medusa, bei deren Anblick der Mensch, wenigstens der europäische Mensch, sterben würde Die bedeutendsten Dichter und Denker huldigen somit einer Stimmung, die etwa auszudrücken wäre durch das Wort Gabriele d’Annunzios: ‚Die Kunst des Lebens ist es, die Wahrheit zu verschleiern‘, oder durch die dichterische Aufforderung Stefan Georges: ‚Kommt, helft Euch aus der Wahrheit Brüder.

In den redlichsten Stunden sprechen des Abendlands redlichste Geister mit der Stimme Schopenhauers oder Tolstois etwa so: „Ja freilich! Alles ist falsch! Aber die Blüten-