Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

_ tausend Geistiger, Besonderer, Persönlicher, Intellektueller beisammen zu haben. Der blindeste Eigendünkel nährt ihren Wahn, daß die namenlos dahinschwindenden spurlos verbrauchten Milliarden und Abermilliarden nur ‚Umschweife‘ gewesen seien, um hinzugelangen zu diesem internationalem Rudel der ‚Kulturvertreter‘, welche das lebendige Element des Volkstums nicht minder wie die sittliche Norm ausgespieen zu haben scheint in eine Welt der Literatur, von welcher Europa wähnt, daß sie dauere.

Daß man das geistige Leben und Schaffen als Beruf aufzufassen wagt, daß man überhaupt faselt von geistiger Arbeit _ und einem Stande geistiger Arbeiter, das erscheint mir wie

Hohn auf alles geistige Leben und Erlebniß.

Wir ächzen in Europa unter der Last dieser geistigen Arbeiterschait. Kein größerer Segen könnte uns zu teil werden, als der Niedergang sämtlicher geistigen Berufe, soweit nicht Natur und Berufung sie dem Leben entzeugt und einer Seele entzwingt. Nichts ist dem Genius, welchen Natur hervorbringt fremder als ein arbeitender Beruisstand von Gelehrten, Artisten, Literaten, deren übersteigerte Geistigkeit nicht mehr Gepräge und Gestalt, sondern gewollte Zucht ist und Leistung.

Es ist Asiens großes Glück, daß es unser Werkertum und seine Schaffensideale nicht kennt. Eben darum allein tragen seine Erzeugnisse noch den natürlichen Stempel rassiger Sicherheit und klarer Selbstverständlichkeit; stiller Innigkeit und Einfachheit; Klarheit und Leichtbegreiflichkeit für Jedermann, welchen nur das Gewachsene und Gewordene, nie aber bloß Geschaffenes, Geformtes und Geleistetes trägt.

Jede kleinste Arbeit, ein Schächtelchen aus Bambus, ein Bildchen auf Glas, eine Perlenschnur, ein Seidentuch ist noch mehr und Anderes als Arbeit. Ihre Ornamente und Gewebe, ihre Flechtereien und Keramiken, ihre Metall- und Schmiedearbeiten, ihre Waffen und Kleider scheinen sie nicht wie Blume und Tier, Volkslied und Märchen von der Natur selber schlafwandelnd und traumsicher gebildet zu sein? Dichtung und Musik, Mytos und Seele durchbluten mühsäligen Alltag. Die Arbeit am Pflug und im Handwerk bewegt sich im Banne des Rhytmus und alles Leben schlummert versenkt in einem sicherem Sein, während in Europa und Amerika der Sinn und die Bedeutung dieses Wandellosen gesucht und darüber seine Wesenheit verloren ward.