Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Bewußtseinsinhalte untersucht, zu fragen werbietet: an - welchem Et was all diese zahllosen ‚Funktionen‘ denn eigent. lich vor sich gehen oder welches Wesen in iedem dieser ‚Inhalte‘ zum Ausdruck komme. Selbst die morphologischen Wissenschaften, wie Anatomie oder Geologie, betrachten die Naturgebilde durchaus unter dem Gesichtspunkte der Funktion, d.h. als Durchgangspunkte irgendwelcher energetisch - vitaler Bewegungen. Vollends haben Geschichts- und Gesellschafts wissenschaften sich an den Gedanken der ewigen Umschichtung, Um_ wandluıng und Verilutung so gewöhnt, daß Geschichtsschreiber den Glauben an eottgewollte Veriassungsformen oder unerschütterliche Gesetze, Volkswirte den an Kasten, Stände und Zünite ebenso verwerfen, wie der Zoologe den an Genera und substanziale Typen oder wie der Biologe den an eine endliche Anzahl ein für alle Mal gegebener Arten oder wie der Philosoph verwirit den Glauben an ein- und angeborene Überbilder und Ideen. —

Die Begrifissprache aber, welche diese iunktionenerspürende Wissenschaft geschaffen hat, hält der europäische Mensch für den Ausdruck und die Sprache der Natur.

Mit kindlicher Unverfrorenheit tritt die Vertauschung von Natur mit der eindeutig funktionalen Zuordnung bewußter Geschehnisse zu Tage an folgendem Ausspruch Galileis:

Das Buch der Natur liegt aufgeschlagen vor uns, aber es ist in anderen Lettern geschrieben als unser Alphabet; seine Buchstaben heißen Dreiecke, Vierecke, Kreise und Kugeln.‘

Mit genau der selben ahnungslosen Unverfrorenheit äußerten. Gauß und Leibniz: „Gott ist ein Matematiker, welcher rechnet, indem er schafit“, wonach also der wissenschaftliche Mensch gleichsam als Rechnungsprüfer seines Gottes zu betrachten wäre. —

Es erweist sich an solchen Beispielen, daß wir eine Sprache der Physik reden, als handle es sich bei Potentialen, Ditferentialen, Aequivalenzen und Quanten um den Fluß des Lebens selber, während wir doch mit den Ketten der Difierentialrechnung dem Lebendigem so nachgehen, wie ein Schifi nachgeht dem Laufe des Stromes, wenn es von Schleuse zu Schleuse entlang geschoben wird; wobei die den Lauf des Schifies kennzeichnende Kurve wohl als en Analogon des Flußlaufes gelten mag, keineswegs aber dieser unzerstückelbare und nicht zusammensetzbare (diskontinuirliche) Flußlauf selber ist.