Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

kurz jeden Seinsbegriff des Unbedingten zu gunsten eines bedingungslosen Kalküls, einzig allein darum, weil sie ausgeht von der leblos starren Voraussetzung, daß Raum, Zeit, Substanz, Bewegung, Wirklichkeit, (also die Fest-Stellungen und Funktionen des Lebens: im Bewußtsein) etwas erfahrbar Gegebenes seien, während dieses Alles doch nichts Anderes ist, als die ins Lebendige eingebaute, unablegbar außenkraftliche Orientierungswelt unsres geistigen Wachtums, —

Die schiefe Voraussetzung der physikalisch-mechanischen Welterklärung, (handele es sich nın um die ältere Mechanik Newtons oder um die neuere Einsteins), ist nicht dies, daß man mechanische Bewegung in der Zeit für relativ hält, “sondern: daß man überhaupt voraussetzte, daß was sich auf dem Gebiete selbstherrlicher Logik abspielt, jemals werden können: sinnenfällig und anschaulich eriahrbar.

6

Ich berühre mit dieser Darlegung einen wissenschaftlichen Streit, welcher gegenwärtig alle denkenden Kal des Abendlandes in Spannung hält.

" Den Streit der Physiker und der Philosophen unsrer Tage um die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des sogenannten ‚Apriorismus‘ in der deutschen Transzendentalphilosophie. Der Streit ob Kant oder ob Einstein recht behalte, dieser deutsche Philosophenstreit der Gegenwart mutet an, als wenn man etwa die Frage lösen wollte, ob Goethes oder. ob Newtons Farbenlehre wohl ‚die richtige Farbenlehre‘ sei.

Hier vermischt man unvereinbare Ebenen.

Goethe betrachtet de phänomenale Welt der Farben, welche sich ordnen zum geschlossenem Ringe unsres Gesichtsfelds. Newton dagegenbehandelt die trans phänomenale Welt der in eine Strecke oder Skala mit ständig ansteigenden Zahlen für Wellenlängen anzuordnenden ‚mechanischen Unterlagen‘, Es handelt sich also um Gesetze aus verschiedener Sphäre. Die Gesetze des Goetheschen Farbenkreises haben nicht das -mindeste zu tun mit den Zahlengesetzmäßigkeiten Newtonscher Bewegungsgänge.

Ganz ebenso ist das Verhältniß der deutschen en kritizistischen Philosophie zur neuesten Physik.

Es ist richtig: Kant hielt die Gesetze des Euklidischen Raumes und der Newtonischen Zeit für apriori einsichtig.