Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

schiedener Ausdruck vorherrscht, so bedeutet das eben eine Zweideutigkeit, einen Zwiespalt, eine Zweiheit oder auch eine Halbheit, wie bei der nur halb gelingenden Abwehr. Wer jemanden verächtlich ansieht, bezeugt geflissentlich durch Verziehen nur eines Mundwinkels, daß der Gegner nur der halben Aufmerksamkeit wert ist. Auch die geteilte Aufmerksamkeit beim Lauern, deren Seitenblick das Bild nicht auf die Stelle des deutlichsten Sehens auf der Netzhaut bringt (Chaplin XIV, 1), drückt dies durch nur einseitige Fletschstellung aus. Der Kritiker, der auf der einen Seite Billigung, auf der anderen Mißbilligung bereithält, zieht den einen Mundwinkel hinauf, den anderen herab (Heine VIII, 5). Besonders hübsch ist die unsymmetrische Einstellung bei dem alten General Booth (XIII, 3), dem Gründer der Heilsarmee. Er zeigt halbe Lächelstellung bei verschleiertem Augenkontakt; dies läßt zunächst auch den Lächelkontakt verschleiert erscheinen, man hört den Alten förmlich in sich hineinlachen; in dieser Position nachsichtiger Überlegenheit bedeutet das halbe Lächeln Ironie; die Miene ist nur äußerlich ernst. So wird hier die Zwiefältiskeit zugleich zur Maske, die etwas anderes bedeutet, als sie auszudrücken scheint.

8. Die Maske (Tabelle 23)

Schon die Zurückhaltung richtet sich gegen unser Bestreben, den Ausdruck zu verstehen und zu deuten, denn die Menschen lassen sich nicht gern durchschauen, und zwischen Menschenkenntnis und Zurückhaltung besteht ein Wettstreit, in dem die Errungenschaften der einen Seite die andere zu gesteigerter Anstrengung anspornen, so wie zwischen Schiffsgeschütz und Panzerplatte, Einbruchswerkzeug und eiserner Kasse. Nicht zufällig setzen kriegerische Völker, wie die Indianer, die auch im Spurenlesen geübt sind, steinerne Mie-

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