Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

E TT EE E

494 -

“die da drüben etwas Großes planten. -Unſere Patrouillen

meldeten: Es geht etwas vor, die Engländer räumen die Hinderniſſe weg. So gegen halb zwölf Uhr legte ſi<h im

- Regimentſtab alles \<hlafen. Wir hatten ſ<on manches er-

lebt in dieſem Kriege, wodur das Gemüt ſhon abgehärtet war, aber das Bewußtſein, daÿ vielleicht die nächſte Stunde einen mörderiſ<hen Angriff bringen konnke, legte ſi<h einem in dieſer Naht doh wie ein Alpdru> auf die Bruſt. . Als es gegen Morgen ging, hörte man wieder den [leiſe niederrauſchenden Regen. Jn dex Frühe, es mochte no< niht ganz fünf Uhx ſein, ging es plößlih los. Mit einem Slage! Ein Geſhüßfeuer ſeßte ein, wie ih es no< niht vernommen hatte. Ein Krachen und Donnern und Beben, als ſollte die Erde zgermalmt werden. Bei uns im Regimentſtab war in wenigen Minuten alles fertig. Die Antwort unſerer Artillerie auf das Feuer des Gegners ſete alsbald ein und

übertraf an Stärke bald den Donnex der engliſchen Geſhüße.

Schon das Sauſen der mächtigen Geſchoſſe in der Luft war

eine Nervenfolter, das Dröhnen und Toben niht zu be-

\<hreiben. Über der ganzen Front lag heller Feuerſchein

wie ein rieſenhaſtes Wetterleuchten. Bliß auf Blitz zu>te

Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

Gewalt dex Exploſion zum Himmel geſchleudert worden. Es waren fürchterlihe Augenbli>e. . Und nun ſah man auf dex feindlihen Seite Leutz

_fugeln emporſteigen, weiße, grüne und rote. Greller Licht-

ſchein ging von ihnen aus. Raſch, wie dex helle Shimmer aufgeſlammt war, erloſ<h er wieder. Doch wir wußten: das iſt das Zeichen zum Angriff. Es iſt unmöglich, einiger-

maßen genau zu beſchreiben, was ſi< nun abgeſpielt

hat. In Nebel und Rauch rü>ten die feindlihen Sturmfolonnen heran. Unſere Maſchinengewehre begannen zu fnattern. Immer toller wurde das Feuer der Artillerie. Aus dem Gefechtsunterſtand drang plößlih unſer Regimentsadjutant heraus und ſhrie: Die Engländer ſind in den . . weg. eingedrungen! Durch die oben erwähnte Sprengung hatte der Feind eine günſtige Einfallpforte in unſere Stellumg erhalten. Kolonne auf Kolonne der ſtürmenden Engländer wurde ſihtbar. Aber das Feuer unſerer Ma= ſchinengewehre war von fur<tbarer Wirkung. Als ob ein urgewaltiger Rieſe mit einer mächtigen Senſe ein Kornfeld ſchnitte, nah vorn, nah re<ts, nah lints, ſo ſah es aus. So beſtrihen unſere Maſchinengewehre das Kampf= gelände, und unſere Artil= lerie Tegte unaufhörlih Sperxrfeuer zwiſchen die beiden Stellungert. Un= ſere \<weren Mörſer beſchoſſen die feindlihen Schüßengräben.

Um ſieben Uhr etwa war es, da fam vom erſien Bataillon die Meldung, dieMunition werde Mapp. Ich erhielt den Befehl, mit zwölf Mann in die erſte Linie zu gehen und dort Patronen - ZU verz teilen. Die Laufgräben wurden vom Gegner UN= unterbrohen mit Gra= naten und Schxapnellen geradezu überſchüttet. Von Schulterwehx zu Schulter= wehr in Abſtänden von gehn Schritten ging es der erſten Linie zu, oft über ZU= ſammengeſchoſſene Lauf= gräben hinweg, vorbei an zahlreihen Toten. Schwerverwundete WUL= Den an uns vorüber

nac rü>wärts geſ<leppt. Mehrmals wax es in den Hagel von Granaten niht

aus den Geſhüßen, und das gewaltige Krachen ſteigerte ſich gu unerträglicher Heftigkeit.

Das erſte Bataillon lag zu Beginn des Artilleriefeuers in dex vorderen Linie. Die rüc>wärts liegenden Reſerven wurden alarmiert, unſere Anmarſhwege wurden von den Engländern unaufhörlih beſchoſſen und das Vorgelände mit Schxrapnellen beſtreut. Gleih in den erſten Kampfſtunden lernten wix nun eine liſtige neue Angriffsweiſe der Engländex kennen. Noch im ſ<hüßenden Dunkel der Nacht waren ſie aus ihren Gräben herausgeſtiegen und in die zwiſchen den beiden feindlihen Linien befindlihen Granatlöcher gekrochen, damit au<h die Geſchoſſe unſerer Artillerie über ſie hinwegſliegen ſollten. Unſere Artillerie. merkte aber die Abſicht und richtete das Feuer auf dieſen Szenenwechſel des Feindes ein. Während unabläſſig das Artilleriefeuer tobte în einer Stärke, daß es uns undenkbar exſchien, ein ſolhes Donnern fönnte no< überboten werden, hörte man plößlih ein mark- und beinerſhütterndes Krachen: auf dem linken Flügel, am ſogenannten . weg, dem am weiteſten vorgeſ<hobenen Punkt unſerer Front, hatte eine ungeheure Exploſion ſtattgefunden. Über den Rauch- und Nebelwolken, die das ganze Gelände bedeten, loderte eine mächtige, etwa dreißig Meter hohe Feuerſäule empor. Rieſige Erdmaſſen waren dur<h die

H Phot. Paul Leſch, Berlin. Blik in einen von den Engländern geſprengten Minentrichter, in dem von deutſchen Truppen danach ein Minen-

möglich, weiterzukommen. Gerade war ih weder bei | einem Sprung, da erhalte ih plößlih einen furhtbaren Schlag über die re<te Wange; ih glaubte, es reiße den Kopf weg. Das Blut läuft mix

ſtollen gegen die engliſhe Stellung getrieben wurde. . N

vom Geſicht herunter, ih bleibe ſtehen; der Mann hinter

mir wollte mih verbinden, ih abex ſchrie: Spring weiter, es iſt niht gefährli<h. Endlich waren wir vorne im ſtärkſten Feuer dex Granaten, die Patronen wurden verteilt. Und dann ging's wieder zurü>. Die Laufgräben waren ent=ſeßli< anzuſehen. ' i - SS Den Engländern war es niht gelungen, einen nennens= werten Gewinn zu erzielen. Jm weiteren Verlauf des Kampfes wurden ſie von zwei Seiten gefaßt. Die Ar=tillerie beſhoß unaufhörli< das Einfalltor der Engländer, den großen Trichter, der durch die eingangs erwahnte ge= waltige Exploſion entſtanden war. Dadurch konnten die Engländer weitere Verſtärkumgen nicht heranziehen, und ihre Truppenteile, die den Trichter beſeßt hielten, konnten bet dem raſenden Feuex unſerer Artillerie niht wieder zurüd>. Am. weg hatten die Engländer bereits ein Maſchinen-

- gewehx herangebraht und feuerten uns damit in die Flanke.

Da gingen einige wagemutige Leute von uns über die Stel= lung des uns bena<hbarten Regiments... mit Handgranaten vox, und es gelang ihnen, die den . - - weg beſeßt haltenden Engländer im. Rü>en zu faſſen. Die Engländer drüben fonnten ihre eigenen Kameraden nux in beſhränktem Maße