Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Bis nun hielt ſi<h Serbien wohl noch ſtricte in den ihm gebotenen Schranken, aber angeſichts der im Volke herrſhenden Stimmung war nicht abzuſehen, wie lange es dies no< im Stande wäre. Fm Volke machte ſi<h nämli<h eine erhöhte Unzufriedenheit kund; man hörte überall die Anforderung ausſprechen, es ſolle die Regierung doh ſagen, was ſie denn eigentli<h wolle: ob Friede oder Krieg.

„ſt das Land gerüſtet genug,“ hieß es weiter, „#0 möge man uns in -den Krieg führen; iſt es niht gerüſtet, ſo ſage man offen: wir wollen neutral bleiben. Jeßt haben wix keinen Krieg, aber verſpüren alle Folgen eines ſolhen — Geſhäftsloſigkeit, Mangel an Vertrauen, den Credit im Auslande auf Null reducirt und obendrein werden die Mächte gereizt. Wix haben Frieden — aber ohne Geſchäft, ohne Verkehr, ohne Credit, ohne Ruhe und Sicherheit.“

Dieſen Zuſtänden gegenüber gewann es faſt einen humoriſtiſchen Anſtrich, wenn man in C onſtantinopel plöblih eine Art von Reformmasfe aufſeßte. Ein Ferman (Befehl) an die Balis (Statthalter) und Gouverneure wurde vom Sultan “mit einem Actenſtü>e einbegleitet, in welchem derſelbe alle „unerlaubten Han dlungen" aufzählte, welhe in den Provinzen für gewöhnlih im Schwange gingen und die nun ſtrengſtens verboten ſein ſollten. Es hieß da: Die Hauptaufgabe der Functionäre iſt:

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Jedermann ſein Recht zu verſchaffen.

und werden zu laſſen. Trot dieſer Pflicht werden in gewiſſen Provinzen ſowohl die Angelegenheiten, welche die Adminiſtrativbehörde, als au< diejenigen, welche die Civilgerihte angehen, in's Unendliche hingezogen. Die Parteien, welche Niemanden haben, an den ſie ſi< mit ihren Klagen wenden könnten, erleiden in Folge dieſer BVerſhleppungen großen Schaden. Auch in Polizei- oder Criminal-Angelegenheiten gehen die Verhöre und Unterſuchungen mit unerhörter Langſamkeit vor ſi, viele Angeklagte erleiden eine weit längere Haft, als dur< das Geſch vorgeſchrieben iſt, Andere wieder müſſen, auf einen einfachen Verdacht hin, ſi<h eine la nge Präventiv(Vorbauungs-)Haft gefallen laſſen. Während es die Pflicht der Beamten iſt, Jedermann unparteiiſh ſein Recht werden zu laſſen, begünſtigen einige Functionäre eine oder die andere der Parteien. Die Civilbeamten ſeßen ſi< untereinander in's Einvernehmen, um die Bevölkerung zu unterdrü>en. An einigen Orten handeln die Zehentpächter gegen das für dieſe Steuer geltende Reglement, laſſen ſih eine ungerechte Schäßung der Ernte zu Schulden kommen, um mehr zu erhalten, als geſeßli< vorgeſchrieben ift, um nur ihre Privatintereſſen, auf Koſten der a>erbauenden Claſſe zu befriedigen. Andererſeits ſind viele Pächter, welche die Steuerbemeſſung

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niht zu der Zeit vornehmen, in welcher die Ernte vollendet wird, {huld daran, daß die Feldfrüchte durch das Wetter zu Grunde gehen. — Die auf die Gendarmerie bezüglihe Verordnung wird, was die Zuſammenſeßung dieſes Corps und die Ernennung der Offiziere betrifft, dur<haus nicht angewendet. Viele Gendarmen, ſowie Zehentpächter begeben ſi< in die Dörfer, fordern ohneweiters Proviant für ſi< und für ihre Pferde und erlauben ſi<, zu Schaden der Landbevölkerung, Handlungen, welche gegen Geſeß und Recht verſtoßen.“ Man fkonnte daraus entnehmen, daß der Wille des Sultans re<t gut war, ohne deshalb glauben zu können, daß, um ſo eingewurzelte Vebelſtände auszurotten, ein wohlgemeintes Decret genügen ſollte.

Jn der Herzegowina aber wüthete der Kampf fort. Ende September wurden ſe<s Bataillone unter Commando der Diviſions-Generale Sche ffet und Selim Paſcha von Gaßko zur Verſtärkung der in Riva ſtationirten Truppen entſendet. Ju Zanjevina, einem vier Stunden von Gaßfko entfernten Orte, welcher als Schlüſſel von Piva gilt, begegneten dieſe Bataillone bei 3000 Junſurgenten. Es entſpaun ſi< ein Gefecht, welhes vier Stunden dauerte und mit dex vollſtändigen Niederlage der Jnſurgenten endigte. Die von denſelben errihteten Verſchanzungen bei Galaſoita wurden zerſtört. Die kaiſerlichen Truppen verſprengten no< andere Fuſurgentenhaufen, denen ſie auf ihrem Wege begegneten, und gelangten na<h Piva, deſſen Garniſon verſtärkt und mit Lebensmitteln und Munition verſehen wurde. Tags darauf wurden auh der Beſatzung von Beſoga, welches vier Stunden ſüdli<h von Piva liegt, unter mehrfahen Gefehten mit Juſurgentenbanden gleichfalls Lebensmittel und Kriegsbedarf zugeführt. Fn dieſen verſchiedenen Gefechten verloren die Aufſtändiſchen bei 200 Mann an Todten und eine große Anzahl von Verwundeten. Zwei Bataillone kehrten ſodann, ohne Widerſtand zu finden, na<h Gatko zurü>, von wo Verſtärkungen gleichfalls nach Duga und Nifkſic geſendet wurden.

Ein anderes Gefecht fand in einem Engpaſſe in der Gegend von Wotujak-Wajnißa ſtatt, woran zwei Bataillone unter Commando des Brigade-Generals Ali Paſcha theilnahmen und welches anderthalb Stunden dauerte. Auch hier wurden die Juſurgenten geſhlagen und mit bedeutenden Verluſten an Mannſchaft und Waffen in das Gebirge geſprengt, wobei ihnen eine bedeutende Anzahl Vieh abgenommen wurde, welches die Truppen nah dem Dorfe Otſchak in der Nähe Neveſinjes brachten. Die Truppen verfolgten die in dieſer Gegend ſi<h no< befindenden Banden. Die mit Gebirgs-Haubißen verſehenen