Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Was nun die Situation des Momentes betraf, ſo verſprah Riſtics in Einem Athem Krieg und Frieden, und wollte offenbar alle Parteien befriedigen. Einige dreißig Deputirte waren jedo< dieſer Politik müde und wollten ihre Mandate niederlegen. Gerüchtweiſe verlautete, daß in dieſem Falle die Skupſchtina aufgelöſt werden oder die Negierung ihreDemiſſion geben ſollte.

Bon vielen Seiten wurde auf den Gegenſatz aufmerkſam gemacht, welcher zwiſchen den angeblichen Friedensbemühungen des ſerbiſchen Premiers der That nac, und den täglih ſi ſteigernden Kriegsvorbereitungen der jerbiſhen Regierung beſtand. Jn Bezug auf lettere meldete man folgende Einzelheiten : Auf Befehl des Kriegsminiſters wurden die Uebungen der bei 12.500 Mann ſtarken Miliz der Stadt und Des Kreiſes Bekgrad unter gleichzeitiger Anordnung ſiſtirt, daß die Milizmänner ihre Geſchäfte eheſtens abwi>eln ſollten und ſi< aus ihrem Domicil nicht entfernen durften. Keinem Mitgliede der Miliz ſei ohne Einwilligung des Brigade-Commandos ein Paß zu erfolgen. Die Milizmänner, die ſich im Beſiße von Päſſen bereits befanden, könnten von denſelben leinen Gebrau<h mehr machen, inſofern die Reiſe no< niht angetreten war. Jn der Waffenfabrik von Kragujewaß waren 9500 Arbeiter beſchäftigt. Nach den Grenzen wurde Munition befördert. General Zah wurde zum Generalſtabs<ef der Armee deſignirt, deren Commando Fürſt Milan ſelbſt oder Leſch janin übernehmen ſollte. An ſonſtigen auf die Situation in Serbien hemerkenswertherén Mittheilungen lag die Ankündigung vor, daß Oberſt Alimpitſ< eine 5000 Mann ſtarke Freiſchaar organiſirt habe, mit welcher er nebſt einigen Geſchützen jeden Augenbli> die Drina zu überſchreiten drohte.

General Franz Za < rangirt unter die wictigſten Männer der ſerbiſchen Armee, er iſt der eigentliche Schöpfer des ganzen heutigen Armeeweſens Serbiens. Ein Mährer von Geburt, deſſen Familie heute no< in Brünn lebt, ließ er ſi< während ſeiner Studienzeit von der November-Revolution mit hinreißen und ging, weil er zu {wer compromittirt war, nah der Niederlage des polniſchen Nationalheeres im Jahre 1831 mit der Emigration nach Frankreich, wo er als ſtreng ſolider, fleißiger und in jeder Hinſicht brauchbarer Mann ſehr bald Anſtellung und Brot fand. Bald jedo< mißfiel ihm die nervös gereizte Thätigkeit der polniſchen Emigration, da ſie ihm feinerlei Ausſicht auf Realiſirung ihrer Pläne darbot, andererſeits wieder | er auch jede Thätigkeit, welche von ſeinen national-\laviſchen Jdeen abſeits lag, für verlorene Mühe und daher für unverantwortlich hielt, und ſo begab er ſih denn bald nah dem Jahre 1840 über Deſterrei<h (wo man ihn anſtandslos durchpaſſiren

106

ließ) nah Serbien. Dort übernahm er die Organiſation eines Heeres nah europäiſhem Maßſtade. Die Militärſhulen in Kragujewaß und Belgrad waren ſein Werk und alle einheimiſchen Offiziere, welche heute die ſerbiſche Armee zählt, ſind faſt ohne Ausnahme ſeine Schüler. Die Belgrader Artillerieſhule wurde unter ſeiner Leitung eine Muſteranſtalt.

Da Zach nur die Erziehung und Heranbildung einer vom nationalen Geiſte getragenen ſchlagfertigen Armee vor Augen hatte, hielt er ſich aus Princip von den politiſhen Stürmen im Lande ferne und deshalb kam er auh mit allen Regierungen und Regenten, wie ſie ſeit jener Zeit in dem kleinen Lande nacheinander folgten, re<t gut aus. Man lernte ſeine Zähigkeit und eiſerne Conſequenz achten, ſeinen in jeder Beziehung unantaſtbaren Charakter ehren ; darüber waren alle Parteien einig, das erkannte das ganze ſerbiſche Volk, welches er in ſeiner großen Maſſe in Folge ſeiner vielfachen Reiſen im ganzen Lande perſönlich kannte, und welchem er ebenfalls überall perſönli bekannt war.

Za <'s Erſcheinung iſt eine ſehr ſympathiſche ; auffällig iſt es deshalb, daß er nur bei wenigen der hervorragenden Männer Serbiens ſih jener beſonderen Beliebtheit erfreute, welche ſein mildes Weſen und ſein menſchenfreundliher Charakter ſo ſehr verdienten. Er hätte, unter der Regentſchaft wie au< während der erſten Regierungsjahre des Fürſten Milan volles Recht gehabt, ſih über Zurüſezung zu beklagen, er that dies jedoch, ſelbſt in den vertrauteſten Kreiſen, niemals. Erſt als unter dem Miniſterium Marin ow itſ>< ſich der Fürſt eifriger und inniger mit den Staalsgeſchäften zu befaſſen und die leitenden Perſönlichkeiten gründlicher kennen zu lernen anfing, erſt da wurde auch Za < hervorgezogen und zum erſten Adjutanten im Konak (Palais, Gebäude) ernanut, von welcher Zeit an er zu den intimſten Berathern des jungen Regenten gehörte.

Bon R iſtics wurde er zum General erhoben und nachdem er mit dem Kriegsminiſter Teſcha Nikolit#< ſi< vollkommen über alle Fragen geeinigt hatte, an die Spitze der Armee geſtellt.

Der Türkei ſcien es endli<h mit ihren Abſichten gegen Serbien ernſter zu ſein, als die Diplomatie bisher annehmen wollte; Kriegsminiſter Huſſein Avni Paſcha und Marineminiſter Riza Paſcha arbeiteten ununterbrochen in Angelegenheiten der Mobilmachung neuer größerer Truppenkörper und Disponirung der noch verfügbaren nah den inſurgirten Provinzen. Mehrere auf dem Dampfer „Sachper“ aus Trapezunt und Sinope eingetroffenen Bataillone Nizams wurden nah Bosnien dirigirt. An ihrer Stelle trafen andere mit den Dampfern „Talia“ und „Chania“ aus Kios abgeholte Redif-Bataillone in Conſtantinopel ein, die bei