Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Makrochorion ausgeſchifft und proviſoriſch in der Caſerne „Daout Paſcha“ bequartiert wurden. Sowie die Dampfer „Jsmail“ und „Tervai“ mit dem Reſt der in Kios ſtationirten Redifs angelangt wären, ſollten auh dieſe Truppen ohne jeden Verzug nah Bosnien abgehen.

Seit Aushru<h der Rebellion waren nah Bosuien einſchließli<h der Armee von Niſch, der Herzegowina und Albanien beiläufig 35.000 Mann dirigirt worden. Nun waren no< weitere Sendungen in der Stärke von 10- bis 15.000 Maun in Ausſicht genommen. Derwiſch Paſcha wurde des Obercommandos in der Herzegowina definitiv enthoben.

Durch den unter eigenthümlihen Umſtänden erfolgten Rücktritt des ſerbiſchen Miniſteriums war die orientaliſhe Frage in eine neue, günſtige Ausſichten bietende Phaſe eingetreten. Das Miniſterium Riſtics-Gruics war zu Fall gekommen, um den Trägern einer gemäßigten, conſervativen Politik Play zu machen. Das unflare, ja zweideutig zu nennende Verhalten der ſeitherigen Leiter der ſerbiſchen Angelegenheiten hatte die Situation nahezu unerträgli<h gemacht und ſeit einigen Wochen ſhon die Freunde des Krieges wie die des Friedens in der peinlichſten Spannung erhalten. Weder dem Fürſten, noch der Bevölkerung konnte das verſte>te Spiel, das Riſtics angeſichts einer ſo ernſten, die bedenkliſten Zufälle und Möglichkeiten eröffnenden Frage mit dem Wohl und Wehe des ſerbiſchen Staates ſi geſtattete, zuſagen; den Großmächten mußte es mit jedem Tage gefährlicher und unzuläſſiger erſcheinen. Eine Wendung, eine entſchiedene That, um ſowohl das ſerbiſche Volk ſelbſt, wie auh die Schubmächte und die Nachbarſtaaten über die Wege aufzuklären, welche Serbien in dieſer ſhwierigen Verwiklung einſchlagen und einhalten wollte, war deshalb dringend geboten, und der Anfang dazu wurde in einer geheimen Sißung der Skupſchtina gemacht.

Fürſt Milan erſchien plötzlich in dieſer Verſammlung und gab Erklärungen ab, die einen tiefen Eindru> hervorgebraht und die Miniſter genöthigt haben, ſofort zurückzutreten. Fürſt Milan war ſowohl über die geheimen Pläne ſeiner Miniſter, wie über den Willen und die Entſchließungen der Mächte gut unterrichtet. Au<h war der Slag, dem Riſtics unterlag, ebenſo wohl vorbereitet, wie kräftig durchgeführt. Schon die unerwartete Verlegung der Skupſchtina aus dem offenen, von der Omladina dur<h und dur< unterwühlten Kragujewaß nah Belgrad, dem Mittelpunkte der Regierung und dem Hauptſize der dem Fürſten ergebenen Kräfte, ließ irgend eine den Beſtrebungen der Oppoſition nicht entſprechende Action vorausſehen. Allein Riſt ics ſelber war wohl niht auf dieſen Offenſivſtoß ſeines Herrn und

Gebieters gefaßt, ſondern ließ ſich wahrſcheinlich dur< den fürſtlichen Staatsſtreich überrumpeln.

Man ſpra<h ſchon ſeit einiger Zeit mancherlei über feindſelige Hintergedanken, welche Riſtics gegen den Thron Milan's im Schilde führe, und es ließ ſi< niht leugnen, daß die ſonderbare Haltung des Miniſters derartige Andeutungen cher beſtärkte als widerlegte. Fürſt Milan hatte, wie jeder Souverain, eine doppelte Laſt zu tragen : die ſüße Pflicht der Herrſchaft und die häuſig ſehr drü>ende Laſt ſeiner Regentenpſlichten. Sowohl die Sorge um ſeinen Thron wie die Sorge um die Geſchi>ke ſeines Volkes fühlte er ſih nicht berufen auf Riſtics, oder Die, welche hinter dieſem ſtehen konnten, abzutreten, und“ wenn er vielleicht auh von Anbeginn an die eigentlichen Ziele, die Riſtics verfolgte, nicht völlig erkannt haben mochte, ſo wurde ihm ſowohl in Belgrad ſelbſt, wie von Außen her die nothwendige Aufklärung zu Theil, und er war es alsdann ſi ſelber “Und ſeinem Lande ſchuldig, dieſem Beginnen, in welchem ſein Regiment und möglicherweiſe die nationale Selbſtſtändigkeit Serbiens untergehen konnten, ein raſhes Ende zu bereiten.

So hatten Riſtics und Genoſſen wohl, wenigſtens für die Zeit der ſcharfen Kriſis, die zu bewältigen war, aufgehört, ihren Einfluß innerhalb und außerhalb der ſerbiſhen Grenzen mit Ausſicht auf Erfolg auszuüben. Es war dies ein neuer und keineswegs kleiner Schritt weiter auf der Bahn der verſtändigenden und vermittelnden Politik, die einzig im Stande war, die blutigen Wirren in einem für die Sache der Auſfſtändiſchen ſelbſt vortheilhaften Sinne beizulegen. Es war wohl nicht zweifelhaft, daß die drei nordiſchen Höfe mit oder ohne Betheiligung der übrigen Großmächte, in ſehr deutlichen, nah keiner Weiſe hin mißzuverſtehenden Worten dem Fürſten Milan den Standpunkt klar gemacht hatten, welchen Serbien gegenüber dem Aufſtande auf türkiſchem Gebiete einzunehmen habe und unbedingt einnehmen müßte, wenn es niht dur< andere Mittel, als diplomatiſche Noten, dazu verhalten werden ſollte. }

Fürſt Milan gab der Landesvertretung über die Poſition Serbiens gegenüber den Großmächten Andeutungen, welche einen günſtigen, weil ernüchternden Eindru> hervorgebraht haben. Die Skupſchtina nahm die Erklärungen Milans mit großer Begeiſterung auf, was ein bedeutſames Zeichen für den völligen Umſchlag in der Stimmung dieſer ziemli< beweglichen Verſammlung war. Schon die mit Majorität angenommene Adreſſe, welche die Wahrung der nationalen Ehre und Pflicht der Weisheit der Regierung anvertraute, ließ erfennen, daß die Aufopferung für die Stammeshrüder ſi< ſehr gut dur<h das ZFntereſſe für das eigene Land mäßigen laſſe, allein die ſeitdem eingehenden Nachrichten, die allerdings

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