Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 257

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Jzzedin Effendi. Selbſtverſtändlih, als man Lebterem das Garde-Commando abnahm, daß auh er ſeinen Adjutantenpoſten verlor, wel<her Umſtand von Huſſein Avni benüßt wurde, ſih dieſes unzähmbaren Offiziers dur<h ſeine Verſezung nah Bagdad zu entledigen. Den verruchten Plan zur Ermordung des Kriegsminiſters faßte er im Militär-Arreſte, welcher ihm in Folge ſeiner Weigerung, na< Bagdad abzugehen, dictirt wurde.

Wie er aus dem Arreſte kam und was dann geſhah, iſ bereits erzählt worden; es wäre nur hinzuzufügen, daß Haſſan bei dieſer Gelegenheit mehrere Bajonnetſtihe im Kopfe und im Rückgrate erhielt, in Folge welcher er in das Spital des Serasfkierats überführt wurde. Dort verweigerte er ebenſo jede Antwort auf die an ihn gerihteten Fragen. Das Einzige, was man von ihm hörte, war eine Aeußerung der Befriedigung, ſih an Huſſein Avni gerächt zu haben, während er die anderen Todten bedauerte. Hätte übrigens Haſſan den Kriegsminiſter in ſeinem Hauſe gefunden, ex hätte Alles dahingeſhlachtet, um das Geſchleht des Huſſein Avni für immer zu vernichten. Er erklärte, keine Mitſchuldigen und auh mit Juſſuf Jzzedin ſeit dem Tage des Staatsſtreiches niht verkehrt zu haben. Weitere Bekenntniſſe konnte man dem tödtlich verwundeten Tſcherkeſſen nicht abringen, da er Freitags Nachmittags bereits ſterbend war.

Es wurde allſoglei<h Krieg8gericht gehalten. Den Vorſit im Kriegsrathe führte Redif Paſcha, derſelbe Mann, der die Umzingelung des Palaſtes in Dolma-Bagdſhe commandirt und der dem verſtorbenen Sultan die erfolgte Entthronung befanntgegeben hatte. Das Urtheil des Kriegsrathes lautete auf Degradation und Tod durch den Strang, und faſt zu gleiher Stunde und ohne allen Prunk, ohne Sang und Klang wurden die beiden Miniſter zu Grabe getragen. Die Officiöſen behaupteten zwar, daß die Beerdigung mit militäriſhen Ehren erfolgte; allein dies war niht der Fall, denn man hatte das Auſſehen vermeiden und die Beſtattung in aller Stille vornehmen wollen.

Sultan Murad, von den Ereigniſſen tief ergriffen, hatte dem Feiertags-Gottesdienſte niht beigewohnt. Ex verließ den Yaldiz (Stern)-Kiosk niht. Die Wachen wurden verſtärkt und jeder Eintretende bis auf's Hemd unterſucht. Ein gleicher Vorgang wurde bei allen Miniſtern und Würdenträgern beobachtet, deren Konaks mit Militär beſezt waren. Am ſelben Freitag Abends wurden alle Offiziere und Soldaten tſcherkeſſiſhen Urſprungs verhaftet, da man eine Verſhwörung befürchtete und annahm, daß Haſſan mit ſeinen Stammesbrüdern einen Streich gegen den Sultan führen wollte. Ungeachtet der militäriſchen Bewachung aber wurde, wie verlautete, der Konak Raſchid Paſchas von Softas förmlih ge-

ſtürmt, um von den Frauen Geld zu verlangen ; ja die Softas drangen bis in den Harem ein.

Samſtag, mit Tagesanbruch, wurde Haſſan an dem, vor dem Kriegsminiſterium nächſt der großen Pforte ſtehenden Maulbeerbaum gehängt. Der Execution wohnten nur Wenige bei; dagegen war der Gehängte dur< drei Tage ausgeſtellt. Er hing an einer etwa drei Schuh langen Schnur, faum ein Schuh oberhalb des Bodens, ganz frei in der Luft. Er war mit einem weißen Hemd, Hoſen und Strümpfen bekleidet und trug an der Bruſt eine Tafel, die das Todesurtheil enthielt. Ganz Conſtantinopel ſtrömte nah dem Serasfkierat-Plaßke und faſt fortwährend umſtanden Tauſende den Leichnam, den ein Quarré von Zaptiehs umgah. Der Cadaver wurde fortwährend umgedreht, um den Neugierigen den Mörder von allen Seiten ſehen zu laſſen. Und man bemerkte deutlich einen großen Blutfle> in der Rü>kengegend.

Die Aufregung, welche ſi< der ganzen Stadt in Folge der in vorgerü>ter Abendſtunde bei Midhat Paſcha zugetragenen Schlächterei bemächtigt hatte, war unbeſchreiblih. Alles rannte hin und her mit dem todtfahlen Ausdru>e des Screens und der Angſt vor weiteren Blutthaten in den Mienen. Man wußte niht, ob das furchtbare Ereigniß den Beginn einer Schre>ens-Periode bedeute, wel<he den Eintritt einer gewaltigen politiſchen und ſocialen Kataſtrophe einleiten ſollte. Rathloſigkeit und Beſtürzung waren die Signatur des Tages. Jn dieſem Momente wußte ſi<h no< Niemand Rechenſchaft zu geben, was das Gemetel der leßtverfloſſenen Nacht zu bedeuten hatte. Hatte man es mit der erſten Handlung einer Gegenrevolution oder mit einem Racheacte zu thun ? Auf den Geſandtſchaften ſelbſt hatte man ſi< no<h keine Meinung zu bilden vermocht, und nur aus den türkiſhen Regierungskreiſen verlautete die einzige Parole: Privatrache.

Das Dunkel über die eigentlihen Urſachen des Mordes wird wohl ſ{hwerli< mehr erhellt werden, da der Mörder - nah kürzeſtem Proceſſe für ewig ſtumm gemacht, mithin geſorgt wurde, daß er niht zuviel ausplaudern konnte. Die Ve rmuthungen über die Gründe zur That gingen auseinander. Einige fragten ſi<h, ob Haſſan wirkli<h aus eigenem Antriebe gehandelt, ob er blos Rächer aus eigenem Willen, oder nit etwa zuglei<h der Vollſtre>er fremder Fdeen geweſen? Der Mord, klügelte man, wurde im Konak Midhat Paſchas vollbracht; zwiſchen dieſem Miniſter aber und Huſſein Avni beſtand ſeit längerer Zeit ein principieller Gegenſaß der Anſchauungen und man wunderte ſi, daß beide Männer ih zu einer vereinigten Wirkſamkeit entſchließen konnten. Huſſein Avni war der heftigſte Gegner der von Midhat geplanten Reformen; es war auh immerhin auffallend, daß