Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 264

Gewitterluft über der Bevölkerung; man ſtand einem unbekannten Etwas gegenüber und das Wenige, was man von ihm wußte, konnte nur Beunruhigung erregen. Wirklich dauerte es nur wenige Tage und das Gewitter entlud ſi<h. Der Krieg8miniſter Huſſein Avni Paſcha, der Finanzminiſter Sch irvanizade Mehemed Ruſchdi Paſcha und der Polizeiminiſter Husni Paſcha wurden niht nur ohne alle Umſtände abgeſeßt, ſondern auh ohne Verhör, ohne Urtheil wie gemeine Verbrecher verbannt. Von nun an ging es in derſelben Weiſe, von Tag zu Tag unaufhaltſam vorwärts; unter dem Borwande, alle unnützen, unbrauchbaren und überflüſſigen Beamten zu entfernen und in der Ausgaben-Verwaltung Erſparungen zu machen, wurden Tag für Tag maſſenhafte Abſetzungen vyorgenommen. E Man muß allerdings zugeſtehen, daß unter den abgeſetzten türfiſchen Beamten re<t viel nichtsnutziges Geſindel, ja mancher abgefeimte Schurke war, aber darauf fam es niht an;

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Wie ein brutaler Profoß in einen zuſammengerotteten Volkshaufen mit einem Knüttel na<h re<ts und links einhaut, ohne ſich lange zu bedenken, ob ex einen Schuldigen oder einen Unſchuldigen triſt, ſo hieb Mahmud Paſcha darein, denn es war ihm feineswegs darum zu thun, nux die Schuldigen zu treffen, es war für ihn ein bloßes Fagdvergnügen. Um aber den äußeren Schein zu retten, wurde unter dem prächtigen Namen „ReformCommiſſion“ eine aus vier Mitgliedern beſtehende Proſcriptions- (Aehtungs-) Commiſſion gebildet, welche von Woche zu Woche dem Großvezier eine Liſte der abzuſeßenden Beamten übergab. Dieſe Commiſſion öffnete allen ſ{<le<ten Leidenſchaften und jeder miſerablen Geſinnung Thür und Thor; wer nur irgend einen Feind hatte, wer in irgend einem

HZimmermann, Geſch, des orient. Krieges.

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General Ranko Alimpics.

Beamten einen Nebenbuhler zu ſehen glaubte, denuncirte denſelben als mißliebig und ohne weitere Unterſuhung wurde der ſolchergeſtalt Denunucirte auf die Abſchaffungs-Liſte geſetzt. Selbſt diejenigen Beamten, denen dur ein ordnungsmäßig erlaſſenes Geſeß die Unabſetzbarkeit (außer im Falle eines erwieſenen Verbrechens oder einer freiwilligen Abdankung) zugeſichert war, blieben niht verhont. Jm Richterſtande wurden maſſenhafte Abſezungen vorgenommen und wenn die abgeſetzten Richter im Bewußtſein redlih erfüllter Pflicht ſich auf den vorerwähnten Geſeßes-Paragraphen beriefen, entgegnete man ihnen mit lächelnder Miene: „Dieſes Geſeß hat keine Giltigkeit“. Die durch ſolche Maßregeln erledigten Gehalte wurden zuſammengere<hnet und wöchentlich als „Erſparniſſe im Finanzweſen“ veröffentlicht.

Man irrte aber ſehr, wenn man meinen würde, es ſei in dieſem, vor dem verblüfften Publikum aufgeführten Hexenſabbat Mahmud Paſcha der leitende Director geweſen; dazu war EZ roh Und unwiſſend. Hinter ihm fand der ruſſiſhe Botſchafter, General FJ gnatieff, der an ihm ein willenloſes Werkzeug fand, um den im «Futereſſe der ruſſiſhen Politik

aufgeführten wilden Tanz in Scene zu ſeßen. Auf dieſes Treiben ſchauten die übrigen Diplomaten am Bosporus mit großer Verwunderung, aber von irgend einem Verſtändniſſe war auch bei ihnen feine Rede. Woher hätte ein folhes bei ihnen wohl kommen ſollen? Fn ihren prachtvollen Hotels, von der ganzen übrigen Welt abgeſchnitten, von ihren Soireen, ihren Bällen, ihren Tafeln, ihren Staatsviſiten, ihren Fagden, ihren OrdensDecorationen vollſtändig in Anſpru<h genommen, überließen ſie ihren Dragomanen (Dolmetſchern) die eigentlihen Geſchäfte, und ſo erfuhren ſie ni<ts von dem, was um ſie her vorging.

Jm November 1871 dämmerte eine Ahnung

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